Revidiert: 1. März 2021
Marcos Buser und Walter Wildi
Der Einstieg in den Ausstieg ist erfolgt. Das AKW Mühleberg ist seit Ende 2019 vom Netz. Die Stillegungs- und Rückbauplanung ist angelaufen. Wann die nächsten Schweizer AKW folgen werden, ist noch ungewiss. Doch der Strommarkthorizont verdüstert sich zusehends. Es ist zu erwarten, dass das Bröckeln der Atomwirtschaft sich in den nächsten Jahren massiv beschleunigt. Die Rückstellungen in die beiden hierfür vorgesehenen Fonds (Stillegungs- und Entsorgungsfonds) dürften dahinschmelzen und werden – das ist schon heute klar – nie genügen, um das, was „Entsorgung“ genannt wird, zu decken. Man ist schon heute um das mindestens 10fache über den Kostenschätzungen von vor 30 Jahren. Und das ist nur der Anfang.
Das Abschalten führt zu neuen Pflichten, zu neuen Risiken. Vor allem aber: Zu gesellschaftlichem Zündstoff. Denn wer will schon das strahlende Erbe, das sich auf den verschiedenen Geländen von Atomanlagen und im ZWILAG ansammelt, bei sich verstaut wissen? Behälter mit abgebrannten Brennelementen, Behälter mit wiederaufgearbeiteten verglasten Abfällen, andere Abfälle aus dem Betrieb der Werke, Abbruch- und Stilllegungsabfälle, usw. Was sich in den Atomenergie nutzenden Ländern anbahnt, wird zu einem über Generationen dauernden Zwischenlagerungs-Drama. An weit über hundert Standorten in Europa, bei Atomkraftwerken und in Zwischenlagern, werden diese Abfälle gestapelt, mit unabsehbaren Konsequenzen, was Schäden und Risiken einer solchen Langzeitlagerung angeht, mit einer Flut von Problemen, angefangen bei auslaufenden Bewilligungen, vor sich her rostenden Lagerbeständen, mit unzähligen Klagen, in aller Eile beschlossenen Notstandsmassnahmen und anhaltenden Bürgerprotesten. Das Beispiel Brunsbüttel (Deutschland) wird Schule machen. Und das, bei massiv sinkenden Budgets für die „Entsorgung“ von radioaktiven Abfällen. Die Lasten für die künftigen Generationen werden sich auftürmen. Und die Realisierung des so oft versprochene sicheren Endlagers wird laufend in eine ungewisse Zukunft hinausgeschoben, wie die jüngsten Beispiele aus der Schweiz, Deutschland und den USA zeigen. So wird unsere Gesellschaft über weitere Generationen weiter werkeln, bis sie die Abfälle einer ursprünglich als „paradiesisch“ propagierten Technik unter Tage verbracht haben wird. In der Tat: Die Verantwortlichen der Nuklearindustrie und der in ihrem Dienste stehenden, passiven Behörden haben für die „Entsorgung“ so gut vorgesorgt, dass die nukleare Nachsorge unsere Nachkommen noch lange beschäftigen wird!