… bis ein Endlagerstandort in der Schweiz bezeichnet ist und weitere rund 30 Jahre, bis ein solcher validiert ist. Die Performance der bisherigen Leistungen ist erschreckend. Doch das Programm der Atomwirtschaft lautet weiterhin: Entsorgung verschieben, verschieben, verschieben …
Verschieben, verschieben und nochmals verschieben … auf Kosten der künftigen Generationen
Die nukleare Entsorgung ist das grosse Sorgenkind der Kernenergie. Während Jahrzehnten vernachlässigt, wird die Entsorgung zu Beginn der 1970er Jahre aufgrund des politischen Drucks der atomkritischen Öffentlichkeit hin von den Kernkraftwerkbetreibern aufgegriffen. 1972 gründen die schweizerischen Abfallverursacher die Nationale Genossenschaft für die Lagerung von radioaktiven Abfällen (Nagra), die zunächst nur die Suche nach Standorten für schwach- und mittelaktive Abfälle aufnimmt. In den Jahren 1975 bis 1978 werden die Verträge mit den ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen neu ausgehandelt, mit dem Ergebnis, dass die von der Schweiz gelieferten hochradioaktiven verglasten Abfälle und die abgebrannten Brennelemente aus den Atomkraftwerken wieder zurückzuführen sind. Damit muss die Schweiz auch Standorte für die hochradioaktiven Abfälle finden.
1978 publiziert die schweizerische Energiewirtschaft ihr Konzept für die nukleare Entsorgung. Es ist ehrgeizig: bis 1985 sollen die Standorte für die damals drei Abfallkategorien vorliegen, in den 1990er Jahren könnte bereits ein Endlager für hochaktive Abfälle den Betrieb aufnehmen. Der damalige Zeitplan im Anhang A6-25b des Konzepts (Figur 1) platzt aber wie eine Seifenblase (siehe Tabelle 1) [1]. Wie alle überhastete Zeitpläne, die seither von der Nagra präsentiert wurden.
Im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager wurde diese Tradition der unrealistischen Zeitpläne fortgesetzt. Zunächst hiess das Ziel ein Rahmenbewilligungsgesuch bis 2014, dann wurde der Zeitpunkt 2014/2016 genannt, im nächsten Schritt war von 2016/2018 die Rede. Danach musste wieder korrigiert werden auf 2022/2024. Und nun ist man seit Frühjahr 2014 mindestens im Jahr 2027 angelangt. Von x-Seiten wurde vor dieser Entwicklung gewarnt. Die zuständigen Behörden überhörten diese Warnungen durchs Band bis zum Winter 2014! Und rechtfertigten diese Kette von Zeitverzögerungen damit, dass „die einzelnen Schritte mit Sorgfalt und Seriosität angegangen werden“.[2]
Währenddem schwierige Grossprojekte wie die Neat-Röhren des Simplon und des Gotthards zeitexakt umgesetzt wurden und für die Planungsqualität dieser Jahrhunderbauwerke sprechen, kommt das Entsorgungsprogramm Schweiz nicht wirklich vorwärts. Während Berlins Bürgermeister Wowereit für die Planungskatastrophe des neuen Flughafens seinen Sitz räumen musste, wursteln unsere Verantwortlichen weiter, als ob nichts geschehen wäre. Die Projektleitung beim Bund ist in Sachen Steuerung überfordert und klammert sich in ihrer Hilflosigkeit an eine buchstabengetreue Umsetzung des Sachplankonzepts (siehe Bibel). Beim Ensi will man immer noch nicht begreifen, dass eine gute und effiziente Kontrolle auch Intervention und Anmahnung heisst, wenn ein Projekt so aus dem Ruder läuft. Und bei den Werken will man sich nicht bewusst werden, dass mit dem heutigen Leitungsteam der Nagra der nächste Crash vorprogrammiert ist. Nichts lernen aus den vergangenen Misserfolgen scheint die Devise. Mit Stur- und Starrheit in die nächste Wand. Das war schon immer das Los aller unter diesen Voraussetzungen geplanten und eingeleiteten Programmen der Nagra, vom Kristallin bis zu den Valanginienmergeln und dem Wellenberg, vom Anhydrit bis zur Unteren Süsswassermolasse.
Das Nachsehen dieses Verschiebungsspiels haben die künftigen Generationen. Seit über vierzig Jahren sucht die Nagra Standorte für Endlager für radioaktive Abfälle. Bestenfalls in 20 Jahren wird es soweit sein, dass der Bundesrat über Standorte definitiv entscheidet und Testbereiche in der Tiefe erschlossen werden können. Dauer der Wahl eines Standorts: 60 Jahre plus. Eine solche Performance von Nagra und verantwortlichen Behörden spottet jeder Beschreibung. Wenn das nicht ein Herausschieben auf Kosten der künftigen Generationen ist!
[1] Entsorgungsprogramm_Beilage_zur_KNS-Stellungnahme
[2] Newsletter Tiefenlager des Bundesamts für Umwelt, August 2014, https://www.bfe.admin.ch/radioaktiveabfaelle/01277/01309/01328/index.html?lang=de&dossier_id=05183
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