Unter obigem Titel hielt einer der Blogautoren am 25. Januar 2012, also gut zehn Monate nach der Katastrophe von Fukushima, einen öffentlichen Vortrag im Rahmen von “Culture et rencontres” in Genf, vor mehr als 200 Zuhörern (darunter mehreren Forschern aus dem Forschungszentrum CERN). Im Vortrag wurde dargelegt, wie die Atomindustrie als militärisches Unternehmen begann, welches sodann zur Rechtfertigung zum „Atom für den Frieden“ umgebaut wurde. Dabei wurde allerdings die Kultur der Geheimhaltung, der kontrollierten Forschung und Publikation der Ergebnisse, der Monopole der industriellen Anwendung, der Kontrolle und Repression der Kritik (nach Rezepten des Kalten Krieges) beibehalten. Die wissenschaftliche Weiterentwicklung wurde dadurch blockiert. Das technische Konzept blieb auf dem Niveau der 1950-er und frühen 1960-er Jahre stecken. Zum Beleg: der (deutsch)-französiche EPR-Reaktor, bei dem grundsätzlich das gleiche Reaktorkonzept vorliegt, wie z.B. in Beznau, mit verstärkten Betonmauern und einigen weiteren Massnahmen zum Schutz der Umwelt bei einem Reaktorunfall[1]. Oder die Brütertechnologie, welche von allem Anfang an wegen der damaligen Knappheit von Uran auf den Weltmärkten in der vordersten Entwicklungslinie stand. Von den zahlreichen grundsätzlich möglichen Reaktorlinien blieb die Entwicklung auf einige wenige Linien beschränkt[2] . In der Nukleartechnologie ist man also, im Vergleich mit der Eisenbahn, auf dem Niveau der „Dampflokomotive plus“ stehen geblieben.
Der Vortrag führte weiter zur Frage der Unwirtschaftlichkeit dieser Reaktorlinien, unter Berücksichtigung der Kosten der Stilllegung und der Entsorgung der Abfälle und nahm danach die Frage der Entwicklungen in China auf: Ähnlich wie beim Umzug der VW-Käferproduktion nach Brasilien oder dem Export der Anwendung von DDT oder anderen Pestiziden in die dritte Welt, wird das bei uns nicht mehr Durchführbare – nämlich billige Reaktoren – nach China oder Indien abgeschoben. Das Ende des nuklearen Industriezeitalters, beruhend auf mit Uranium betriebenen Kernreaktoren soll damit über eine nächste Generation in Schwellenländern erhalten bleiben, ist aber grundsätzlich längst besiegelt. 60 Jahre nach der Inbetriebnahme der ersten kommerziell betriebenen Reaktoren in den USA schleppt sich die atomare Elektrizitätsproduktion einem absehbaren Ende entgegen.
Wie aus unsern publizierten Blogs (14.08.2015, 31.01.2016, 22.02.2016, 6.03.2016) hervorgeht, waren und sind diese Erkenntnisse nicht neu. Sie kommen einfach heute in der Schweiz voll zum Tragen. Das Debakel der schweizerischen Strom- und Nuklearindustrie ist auch wirtschaftlicher Art: Die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen (Petrol und Gas) direkt aus dem Wirtsgestein, also nicht erst aus sekundären Ansammlungen in Reservoir Gesteinen, der weltweite Verzicht auf eine Einschränkung der Verbrennung von billiger (und viel Schwefel und andern Schadstoffen enthaltenden) Kohle, sowie die starke Förderung von Wind- und Sonnenenergie führen die teuren Kernkraftwerke im Eiltempo in die Pleite. Auch Wasserkraft hat in der Schweiz harte Zeiten: die Lösung dieses Problems liegt aber voll in den Händen und Möglichkeiten der Kantone und Gemeinden. Für die Kernenergie gibt es hingegen keinen Ausweg aus der Sackgasse, allen Beschwörungen der Atomnostalgiker hinsichtlich einer Renaissance zum Trotz. Denn in Anbetracht des Alters der Anlagen, der Veraltung der Technologie, den ins Unermessliche steigenden Stilllegungs- und Entsorgungskosten und den horrenden Investitionen für die Weiterführung dieses Programms kommt einzig die Aufgabe dieser Technologie in Frage (siehe hierzu auch die vorzügliche Analyse von Kurt Marti im Infosperber[3]).
Und so stellt sich denn heute Gretchenfrage: Wie beenden wir in aller Sicherheit den nuklearen Industriezyklus, wissend, dass die Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke praktisch pleite sind? Dabei geht es um Fragen der politischen Verantwortung und des Konsenses, der Regulierung, der Organisation des Sektors, der Aufsicht, der fachlichen Kompetenz und natürlich um sehr viel (fehlendes!) Geld. Alles in allem geht es auch darum, weitere Fehlentscheidungen in Sachen Atomtechnologie zu vermeiden, die sodann auf dem Buckel der künftigen Generationen ausgetragen werden. Die Auseinandersetzung der Zukunft wird sich also vor allem um Qualität, Geld und Verantwortlichkeit drehen.
Nach der Ansage des vermutlich schon baldigen „Groundings“ der Gruppe ALPIQ und der zunehmend kritischen Situation bei AXPO, beginnt in der Schweiz ein neues Kapitel in der Geschichte der Energieversorgung und ein äusserst schwieriger Abschluss der Irrfahrt im Uran-Land. Wir möchten ab heute zu skizzieren beginnen, in welche Richtung sich dieses Unternehmen entwickeln sollte und welche Irrwege in Zukunft dabei zu vermieden sind.
Die Situation ist schwierig, nicht nur finanziell. Denn an Sicherheit werden unsere politischen Instanzen wohl zuallerletzt denken, wie das Parlament in den vergangenen Wochen gezeigt hat. So dürfte es zunächst nicht verwundern, wenn die verantwortlichen Unternehmen – aber auch ihre Aktionären und der Bund – die Sparguillotine aus dem Keller holen und sie in sicherheitsrelevanten Bereichen einsetzen: etwa bei der Modernisierung der alten Meiler oder bei der nuklearen Entsorgung. (Etwas Anderes ist es natürlich, wenn es um die Subventionierung der Stromproduktion und -vermarktung geht. Gem. Ch. Blocher offenbar selbst für Atomstrom . . . . , dixit Sonntagszeitung vom 13.3.2016, tja!).
Und schlussendlich eine Feststellung zur Methode: In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten überliessen es die („kantonalen“) Elektrokonzerne oft Meinungsmanipulatoren, den Weg in die Zukunft nach weitgehend ideologischen Vorgaben zu planen. Die PR-Agentur Hirzel Neef Schmid[4] hat hier oft „Grosses“ geleistet, von der Formulierung von Manipulationsstrategien bis hin zur Bearbeitung von „persönlichen Dossiers“ . . . . Dabei wurde die Agentur auch durch Mitabeiter aus dem Departement UVEK oder aus dem Bundesamt für Energie bedient. Das Resultat dieser Vorgehensweise liegt nun vor aller Augen.
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Kästchen: Zur nicht immer geglückten Technik von Diffamierung und Beeinflussung durch Lobbyisten

Weil der Firmennamen „Hirzel.Neef.Schmid Konsulenten“ nicht auf dem Umschlag stand, nahm der Briefträger den Brief – weil unzustellbar – wieder an sich. Die Briefklinik der Post Härkingen öffnete daraufhin den Brief und fand ein Pressedossier und ein weiteres amtsinternes Dokument in Zusammenhang mit dem Rücktritt von Marcos Buser aus der Eidgenössischen Kommission nukleare Sicherheit (KNS).
Die Post stellte diese Dokumente daraufhin irrtümlicherweise Marcos Buser zu. Dieser informierte via Anwalt den damaligen UVEK-Generalsekretär und forderte eine amtsinterne Untersuchung in Zusammenhang mit der gegen ihn laufenden Diffamierungskampagne.
Im Frühjahr 2013 konnte der Absender des Briefes innerhalb des BFE aufgrund der Handschrift auf dem Brief zweifelsfrei identifiziert werden. Das daraufhin bei der Bundesanwaltschaft eingereichte Rechtsbegehren von Marcos Buser zur Eröffnung eines Verfahrens wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen den identifizierten Mitarbeiter des Bundes wurde von dieser – und später auch durch das Bundesstrafgericht Bellinzona – unter den Tisch gewischt. Einen Tag nach dem Entscheid des Bundesstrafgerichts Bellinzona zog die Bundesanwaltschaft das Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen Marcos Buser und seinen Informanten, einen ehemaligen Mitarbeiter der Nagra, zurück (Juni 2014).
Eine umfassende Darstellung der Sachverhalte dieser Ereignisse ist zu gegebener Zeit in Zusammenhang mit einer umfassenden Analyse über Institutionen und ihre Handlungsweisen im nuklearen Bereich vorgesehen.
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