Photo: Axpo-Werbung mit Tierbildern („Natürlich grüner Strom“); unser Kommentar: „les jeux sont faits“
oder
„Ils comprennent vite, quand on leur explique longtemps“[1]
Pretiose aus der Sprichwort-Sammlung des Roger Lambert (1908 – 1999)
Ein angekündigter Absturz
Am 7. Dezember kündigten Schweizer Zeitungen den massiven Stellenabbau bei General Electric (GE) an. „Schwere Managementfehler führen zu Kahlschlag im Aargau“[1] titelte etwa der Tagesanzeiger. Schlimmer als befürchtet, sei dieser „Job-Hammer“, insbesondere für Baden, schrieb dazu die AZ.[2] Der „drastisch rückläufige Markt“ für thermische Gaskraftwerke sei für dieses Jobmassaker schuld, war im Blick zu lesen.[3] Aber nicht nur in der Schweiz wird massiv zurückgefahren: in Deutschland informierte General Electric (GE) gleichentags über einen zweiten Kahlschlag mit einem Abbau von 1’600 Stellen in Berlin.[4] Sucht der Interessierte Erklärungen auf den Webseiten von General Electric, so kann er etwa lesen: „GE hat den Arbeitnehmervertretern heute seine Restrukturierungsvorschläge zur Bewältigung der großen Herausforderungen auf dem Energiemarkt vorgestellt. Durch eine Neuausrichtung der Geschäftsaktivitäten, eine Integration von Geschäftsbereichen und eine Vereinfachung der Organisation will GE Power seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern und die Voraussetzungen für langfristigen geschäftlichen Erfolg schaffen.“ „Die Nachfrage nach neuen Kraftwerken“ sei „drastisch gesunken“.[5] Wie auch die „Auftragsprognosen“: „Aufgrund von Überkapazitäten, niedrigerer Auslastung, weniger geplanter Servicerevisionen, immer mehr Ausserbetriebnahmen von Dampfkraftwerken sowie dem Wachstum im Bereich der erneuerbaren Energien ist der Absatz unserer Produkte und Dienstleistungen erheblich zurückgegangen. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, muss GE Power die Kosten in seinen Geschäftsbereichen substantiell verringern.“[6] Die Anteilnahme liest sich wie folgt: «Ich bedauere es ausserordentlich, dass wir diesen Stellenabbau vorschlagen müssen», lässt sich Michael Rechsteiner, Vice President & CEO Power Services Europe und GE Officer verlauten:[7] «Wir treffen solche Entscheidungen nie leichtfertig. Aber wir sind überzeugt, dass die Umsetzung dieser Vorschläge uns erlauben wird, unsere Effizienz zu verbessern und die Kosten besser zu kontrollieren sowie ein Kraftwerkgeschäft zu schaffen, das mittel- und langfristig wettbewerbsfähig und erfolgreich ist». Von Fehlentscheidungen, strategischen Irrtümern oder von Blindheit des Unternehmens kein Wort. Dabei produziert gerade die traditionelle Grosskraftwerk-Branche im Energiesektor seit Jahren eine Hiobs-Botschaft nach der anderen. In den wenigsten Fällen aber räumen die verantwortlichen Chefs Fehler ein, wie dies etwa Eon-Chef Theyssen 2011 mit folgenden Worten tat[8] :Natürlich sei „nicht jede Managemententscheidung auf die Butterseite gefallen“, man könne immer fragen: „Hätte man früher anfangen müssen?“ Immerhin!
Fehlererkennung möglich
Auch in der Schweiz tat man sich lange Zeit mit einem grundsätzlichen Umbau der auf dem liberalisierten Markt tätigen Stromversorgungsunternehmen schwer. Nachdem die Bernischen Kraftwerke (BKW) vor einigen Jahren die Energiezukunft durch erneuerbare Energien und Digitalisierung erkannt hatten, hat nun auch Alpiq ein klares Bekenntnis für diesen Weg abgelegt. An der Tagung der Schweizerischen Energie-Stiftung vom 10. November 2017 stellte die Direktorin der Alpiq, Jasmin Staiblin, ihren Konzern im Wandel vor.[9] Das halbstündige Referat war auch deshalb so aufschlussreich, weil die Konzernchefin unverblümt die falsche Positionierung ihres Unternehmens zur Sprache brachte und in diesem Sinne das machte, was in solchen Fällen am dringendsten ist: zu den eigenen Fehlern stehen und Fehlerkultur vorleben. Staiblin sagte im aufgezeichneten Video-Dokument folgendes[10]: „Wenn man Zukunftslösungen vorschlägt, muss man vor der eigenen Haustür zuerst kehren und muss die Altlasten bereinigen. Und wir hatten Altlasten. Und das möchte ich ungefiltert sagen, in der Vergangenheit wurden mit Sicherheit in der Strombranche sehr viele und sehr grosse Probleme verursacht. Und die Fehler, die gemacht wurden in der Strombranche … ich möchte drei nennen. Drei Ausgewählte. Es gibt viele Fehler. Ein grosser Fehler war mit Sicherheit, dass man vernachlässig hat, wie gross der Ausbau von neuen erneuerbaren Energien sein wird, und wie sich der Ausbau von neuen erneuerbaren Energien auf das gesamte Stromsystem auswirken wird. Das hat man unterschätzt, man hat es zum Teil nicht wahrgenommen oder wahrnehmen wollen und hat sich vor allen Dingen nicht auf eine ändernde Stromwelt früh genug eingestellt. Das ist mit Sicherheit ein Faktor. Der zweite Faktor ist mit Sicherheit die Verherrlichung der Atomkraft, dafür stand die Strombranche, zum Teil noch heute. Ich möchte hier auf dem Podium sagen, dafür stand die Strombranche. Und ein dritter Faktor den wir verzeichnen müssen und können, das ist ein sehr selbstsicherer Auftritt von Strombranchenvertretern in der Vergangenheit. Diese drei Faktoren helfen uns nicht, wenn wir die Zukunftslösungen vorschlagen und deswegen haben wir in der Alpiq als allererstes gesagt, wir müssen Altlasten bereinigen“.
In anderen Worten, übersetzt: Alpiq hat viele und grosse Probleme übersehen, die Verantwortlichen haben grundlegende Managementfehler gemacht, sind arrogant aufgetreten und haben zu spät korrigiert. Und was sind die Konsequenzen aus dieser Fehleranalyse? Die neue Alpiq-Equipe fährt die Erneuerbaren nun hoch, verabschiedet sich aus der Atomenergie, indem sie auch ihr Gesuch für ein Ersatzkernkraftwerk zurückzieht, und wechselt das altgediente, für die Misserfolge verantwortliche Personal schrittweise aus. Eine erfrischende Entwicklung!
Wann folgt Axpo … ?
Nachdem grosse Player zunächst im deutschen Ausland und in den letzten Jahren auch im Inland den Ausstieg aus der Atomenergie und den Einstieg ins Zeitalter der Erneuerbaren vollziehen, stellt sich nun für die Schweiz die Frage, wann der letzte der drei inländischen Stromkonzerne die Neuausrichtung umsetzt. Bei der Eigenwerbung scheint das Ganze schon weit Fortgeschritten: „Axpo ist die grösste Schweizer Produzentin von erneuerbaren Energien. Ob heimische Wasserkraft, Biomasse oder Windenergie an den besten Standorten Europas – bei uns hat die nachhaltige Energiezukunft schon begonnen.“[11] Die Atomkraft segelt nur noch im Hintergrund mit, wie ein Blick auf die Webseite der Axpo zeigt (siehe auch Figur 1).[12]
Figur 1: Organigramm der Axpo-Gruppe[13]. Nuclear figuriert nur noch unter „ferner liefen“.
Denn damit lässt sich – im Gegensatz zum Braten schneidenden Axpo-Fuchs in der Küche und dem sich selbst scherenden Axpo-Schaf im Badezimmer -kaum mehr etwas gewinnen.[14] Die Würfel sind gefallen, das weiss auch Axpo. Der Konzern ist in einer dauernden Umstrukturierung. Die Konzernstruktur wurde umgemodelt, der Verwaltungsrat neu bestellt, bisherige Verantwortungsträger wie Regierungsräte durch Technokraten und Ökonomen ausgewechselt. Das grüne Modell der Axpo Solutions und der Nuclear-Bad-Bank, noch vor Jahresfrist als Ausweg gefeiert, scheint ebenfalls in der Krise. Offenbar weiss der Konzern selber nicht, wie es mit der defizitären Kernkraft weitergehen soll. Das KKW Leibstadt steht wiederum still, wegen Jahreshauptrevision bis voraussichtlich Ende Dezember 2017[15] – wenn nicht länger. Beznau 1 steht ebenfalls still, seit bald drei Jahren! Die Aargauer Zeitung titelte am 29. September 2017: „AKW Beznau bis März 2018 ausser Betrieb – oder für immer?“[16] Wann jedenfalls stellen sich Axpo die Grundsatzfragen, denen sich die Verantwortlichen von Alpiq nun endlich gestellt haben? Beendet Axpo endlich den unwürdigen atomaren Eiertanz und stellt sich der Zukunft, indem es zu seinen Fehlern steht, das Ruder herumreisst und die Verantwortlichen für den ganzen Schlamassel endlich in den Ruhestand schickt?
… und der Rest des Atomkuchens?
Natürlich ist nicht nur Axpo beziehungsweise die Stromwirtschaft für diese Misere verantwortlich. Es sind – erinnern wir dran – auch die Kantone als Aktionäre der Stromgesellschaften, die über viele Jahre stur auf Atomkurs ritten und alle Warnungen in den Wind schlugen. Auch das eidgenössische Parlament und die Bundesinstitutionen mit dem Departement und dem Bundesamt für Energie sowie einer überforderten Aufsicht haben dieses Crash-Modell stets unterstützt, statt die Funktion eines weitsichtigen Regulators und Steuermanns zu übernehmen. Auch sie haben in einer unglaublichen Interessens-Kurzsichtigkeit zugelassen, dass eine hochgradig gefährliche Technologie die Sicherheit des Schweizer Staats und seiner BewohnerInnen bedroht und die Finanzen dieses Staates auf Generationen hin belastet. Auch hier muss danach gefragt werden, ob nicht nur Manager sondern auch Parlamentarier und Bundesangestellte im Grössenwahn operierten.[17]
Man darf sich also die Frage genauso stellen, ob und wann die für diesen Misserfolg verantwortlichen Stellen zur Rechenschaft gezogen werden und die dafür zuständigen Personen ihren Sitz räumen. Es liegt sicher nicht in der Schweizer Tradition, mutige Entscheide zu fällen. Aber es ist, wie das Beispiel Alpiq zeigt, an der Zeit einen grundsätzlichen Kurswechsel vorzunehmen, der unausweichlich kommen wird und schon im Gange ist. Wer wird wohl bei den restlichen Playern endlich den Mut fassen, das Steuer herumzureissen? Die Kantone Zürich und Aargau sind gefordert! Eine spannende Frage angesichts der aussichtslosen Lage für die Atomenergie. Oder muss man noch weitere Jahre erklären, dass diese Situation tatsächlich ausweglos ist, bis dieses eigensinnige und starrköpfige Personal endlich versteht, dass das Spiel definitiv aus ist?
Referenzen und Internet Ressourcen
[1] https://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Schwere-Managementfehler-fuehren-zu-Kahlschlag-im-Aargau/story/21693718; https://press24.net/news/5917207/schwere-managementfehler-f-hren-zu-kahlschlag-im-aargau
[2] https://www.aargauerzeitung.ch/wirtschaft/schlimmer-als-befuerchtet-general-electric-baut-im-aargau-1400-stellen-ab-ge-manager-bedauere-es-ausserordentlich-dass-wir-diesen-stellenabbau-vorschlagen-muessen-131978846
[3] https://www.blick.ch/news/wirtschaft/abbau-hammer-ausgerechnet-im-advent-ge-streicht-1400-ex-alstom-jobs-im-aargau-id7696980.html
[4] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/general-electric-will-12-000-stellen-streichen-a-1182264.html
[5] https://www.genewsroom.com/press-releases/ge-power-stellt-arbeitnehmervertretern-seine-vorschläge-zur-bewältigung-der
[6] https://www.genewsroom.com/press-releases/ge-power-präsentiert-den-sozialpartnern-seinen-vorschlag-zur-bewältigung-der
[7] https://www.genewsroom.com/press-releases/ge-power-präsentiert-den-sozialpartnern-seinen-vorschlag-zur-bewältigung-der
[8] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Eon-Chef-raeumt-Fehler-ein-article4048236.html
[9] https://energiestiftung.ch/veranstaltung/energiestrategie20.html
[10] https://energiestiftung.ch/veranstaltung/energiestrategie20.html
[11] https://www.axpo.com/axpo/ch/de/home.html
[12] https://www.axpo.com/axpo/ch/de/publikationen-und-dossiers/dossier-kernenergie.html
[13] https://www.axpo.com/axpo/ch/de/ueber-uns/portraet/organigramm.html
[14] https://www.axpo.com/axpo/ch/de/home.html
[15] https://www.kkl.ch/home.html
[16] https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/akw-beznau-bis-maerz-2018-ausser-betrieb-oder-fuer-immer-131759777
[17] in Anlehnung an Scheuch, Erwin, Scheuch, Ute (2017): Manager im Grössenwahn, rowohlt Repertoire
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