Bei der Frage, ob man die Nutzung der Erdwärme (oder: Geothermie) in derselben Region, oder gar am selben Standort mit der Lagerung radioaktiver Abfälle in Einklang bringen kann, liegt wiederum der Ressourcenkonflikt im Vordergrund. Aber etwas anders, als beispielsweise bei Erdgas oder Kohle; diese Energieträger sind lokal begrenzt und müssen bei uns als selten betrachtet werden. Erdwärme gibt es hingegen überall. Nur eben: In gewissen Regionen ist Erdwärme viel ergiebiger und leichter nutzbar als in andern. Und wenn eben diese Regionen mit eventuellen Standorten für geologische Tiefenlager zusammenfallen, oder sich sehr nahe kommen, so ist der Konflikt vorprogrammiert.
In diesem Beitrag werden wir die Frage von der Basis her aufrollen, von der Energiequelle zu deren Nutzung und der Frage der möglichen Konflikte mit der Sicherheit geologischer Tiefenlager.
Die Energiequelle
Das Erdinnere enthält auch heute noch, d.h. 4.5 Milliarden Jahre nach der Entstehung der Erde, radioaktive Isotope[1] verschiedener Elemente[2], die mit typischen Abbauraten (sog. Halbwertszeiten[3]) radioaktiv zerfallen. Bei diesem Zerfall wird Energie freigesetzt, welche das Gesteinsmagma in der Asthenosphäre[4], bzw. das Festgestein im oberen Erdmantel und in der Erdkruste erwärmen. Diese fortwährend produzierte Wärme wird bei uns auf zwei Arten an die Erdoberfläche transportiert:
- Einerseits durch Wärmeleitung durch die Gesteine.
- Andererseits durch die Zirkulation (Konvektion) von aufsteigendem Tiefengrundwasser.
Auf ozeanischen Rücken und in vulkanischen Gebieten kommt Wärme auch durch Vulkanismus hoch, wie etwa in Island.
Das Potential an Erdwärme
Würde man die Erdoberfläche mit Sonden bedecken, so könnte man feststellen, dass überall Wärme aus dem Erdinnern an die Erdoberfläche gelangt. Diesen sogenannten Wärmefluss misst man in W/m2 (Watt Wärmefluss pro Quadratmeter Erdoberfläche; allerdings verwendet man aus praktischen Gründen oft die Dimension eines tausendstel Watt, d.h. Milliwatt pro Quadratmeter, mW/m2). In der Schweiz variiert dieser Wärmefluss regional von etwa 40 bis 140 mW/m2, also um einen Faktor von 3.5.
Dieser Wärmefluss hängt von mehreren Faktoren ab. Ein wichtiger Parameter ist die Gesteinsdichte, denn je dichter ein Gestein, desto besser die Leitfähigkeit. Besonders günstig sind diesbezüglich die Basalte unter den Ozeanböden, mit einer Gesteinsdichte um 3’300 kg/m3. Auf den Kontinenten mit granitischen Gesteinen liegt diese Gesteinsdichte bei etwa 2’700 kg/m3. Die kontinentale Erdkruste ist also vergleichsweise weniger leitfähig.
Ein weiterer Faktor ist die Zerklüftung des Gesteins und die damit einher gehende Zirkulation von warmem Grundwasser (Thermalwasser). Besonders interessant sind dabei grosse Bruchstrukturen, wie etwa der Rheintalgraben. Aber auch andere , verdeckte Strukturen wie beispielsweise die Randbrüche des Permokarbontroges der Nordschweiz können bzgl. Wasserzirkulation von Interesse sein.
Die Abbildung 1 zeigt die Verteilung dieses Wärmeflusses in der Schweiz. Das Gebiet mit dem höchsten Wärmefluss liegt im unteren Aaretal, vom Rhein bis etwa Brugg und Baden (mit Thermalquellen Schinznach, Zurzach und Baden). Andere Gebiete (mit Geothermieprojekten!) liegen um Basel und St. Gallen, sowie in der Ajoie.
Methoden zur Nutzung der Geothermie
Ideale Bedingungen zur Nutzung der Erdwärme liegen natürlich in vulkanischen Gebieten wie Island oder in Italien, in der Region von Rom vor, wo direkt heisses Wasser und Dampf an der Erdoberfläche angezapft werden können (Abbildung 2).
Meist muss die Wärme aber über Bohrungen aus der Tiefe geholt werden. Dabei werden v.a. drei Methoden angewandt:
- Gewinnung aus hydrothermalen Systemen: Ausbeutung natürlicher Vorkommen von warmem Grundwasser. Dabei kann es sich um permeable (durchlässige) Gesteinsschichten handeln in denen viel Wasser fliesst, oder um geklüftetes Gestein, in dem das Wasser den tektonischen Spalten folgt.
- Gewinnung aus petrothermalen Systemen: In diesem Falle zählt man nicht auf natürliche Grundwasservorkommen, sondern einzig auf die im Gestein gespeicherte und durch den Wärmefluss immer wieder nachgelieferte Wärme. Bohrt man in die Erdkruste, so nimmt die Wärme mir der Tiefe zu. Man spricht vom geothermischen Gradienten. Im Schweizerischen Mittelland liegt dieser etwa bei 30°/km, d.h. bei einer Zunahme der Temperatur um 30° C pro Kilometer Tiefe. Will man also Wasser von 200°C gewinnen, so bohrt man in etwas mehr als 6 km Tiefe, und zwar am besten gleich zwei benachbarte Bohrungen. In der Tiefe kann das Gestein durch Wasser unter hohem Druck künstlich geklüftet werden (Technik des Frackings). Sodann wird Wasser durch eine der beiden Bohrungen abgepresst. Bei der Zirkulation in den künstlichen Klüften wird es aufgeheizt und kann in der zweiten Bohrung wieder hoch gepumpt werden.
- Erdsonden: Bei dieser Technik wird ebenfalls in die Tiefe gebohrt um Wasser oder eine andere Flüssigkeit zirkulieren zu lassen. Diese Bohrlöcher werden mit Rohren bestückt, in denen das aufzuheizende Wasser zirkuliert. Es handelt sich also um geschlossene Systeme, etwa in der Art einer Zentralheizung. Bislang wurden die meisten Bohrungen auf weiniger als 200 m abgeteuft (Wärmegewinn um maximal 6°C). Allerdings entwickelt sich die Bohrtechnik sehr schnell und in der Schweiz werden nunmehr Bohrungen für Erdsonden bis in eine Tiefe von 500 bis 600 m auf dem Markt angeboten.
Für die Gewinnung von Wasser und Dampf für die Erzeugung von Elektrizität sind einzig die zwei ersten Methoden geeignet, bei welchen allerdings die Investitionskosten recht hoch sind. Verschiedene petrothermale Projekte im tiefen kristallinen Untergrund in der Nordschweiz und im Molassebecken werden gegenwärtig von GeoEnergie Suisse geplant.
Im nächsten Beitrag wird das geothermische Potential der Schweiz, also die ausbeutbaren geothermischen Ressourcen genauer betrachtet.
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