Schweden
In Schweden[1] begann die Nutzung ziviler Kernreaktoren im Jahr 1970; heute werden in drei Kernkraftwerken zehn Reaktoren betrieben. Svensk Kärnbränslehantering AB (SKB) ist für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zuständig. Die Gesellschaft wird finanziert durch die Kernkraftwerkgesellschaften Forsmark, Vattenfall, E.O.N. und durch einen weiteren Block von Aktionären.

Schweden verfolgt seit den 1970-er Jahren ein Entsorgungsprogramm. Für schwach und mittel radioaktive Abfälle ist seit Mitte der 1980-er Jahre ein zentrales Zwischenlager für abgebrannten Kernbrennstoff (CLAB ) in Forsmark in Betrieb. Im Jahr 2011 ersuchte SKB um die Bewilligung für den Bau eines Endlagers für abgebrannte Brennelemente in Forsmark. Das Ziel der Gesellschaft ist eine Inbetriebnahme in den 2030-er Jahren. Allerdings liegt noch keine behördliche Bewilligung vor.
Die Endlagerung der schwach und mittel radioaktiven Abfälle erfolgt in einem geologischen Lager in einer Tiefe von nur 50 m unter dem Meeresspiegel, wobei die Verdünnung eventuell austretender radioaktiver Substanzen im Meer Teil des Konzepts ist. Eine Erweiterung des Lagers auf 120 m Tiefe ist vorgesehen.
Die Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe wird in Schweden nach dem KBS-3 System geplant: Die Stäbe mit den Uranoxid-Pellets werden in Kupferbehältern eingeschlossen. Diese werden in ein geologisches Tiefenlager im kristallinen Untergrund in etwa 500 m Tiefe gebracht. Aus den horizontalen Lagerstollen werden senkrechte Löcher gebohrt. Die Kanister werden in diese Löcher abgesenkt und mit Bentonit, einem quellbaren Tonmaterial verschlossen. Die Radioaktivität soll so während mindestens 100’000 Jahren zurückgehalten werden.
Finnland
In Finnland sind zurzeit vier Kernkraftwerke in Betrieb. Ein fünftes Werk mit einem Reaktor vom Typ ERP wird durch die Französische Gesellschaft AREVA gebaut und soll so bald wie möglich (mit viel ! Verspätung) ans Netz gehen. Schwach und mittel radioaktive Abfälle werden an zwei Standorten gelagert: in Loviisa (seit 1997) und Olkiluoto (seit 1992)[2].
Für hoch radioaktive Abfälle baut Finnland in Onkalo, auf der Halbinsel Olkiluoto, ein Endlager. Dieses soll den Abfall von etwa 100 Jahren Kraftwerksbetrieb aufnehmen. Seit dem Baubeginn im Jahr 2004 wird hier ein spiralförmiger Tunnel in den Gneis gebohrt. Ab 2020 sollen in etwa 440 m Tiefe abgebrannte Brennstäbe eingelagert werden. Diese werden wie in Schweden in Kupferkanistern in vertikale Bohrungen eingebracht. Die Bohrungen werden sodann wie in Schweden mit Bentonit aufgefüllt.
Die Gneis Gesteine von Olkiluoto sind durch ein grobmaschiges Kluftnetz durchzogen, durch welches grosse Mengen Wasser zirkulieren. Das Sicherkeitskonzept beruht deshalb stark auf der Barrierenwirkung des Bentonits und auf der Korrosionsresistenz der Kupferummantelung der Brennstäbe.
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Eiszeiten in Skandinavien
Während den eiszeitlichen Kälteperioden der Pleistozänen Zeitperiode (seit ca. 2 Millionen Jahren) bildete sich über Skandinavien eine Eiskalotte. Diese wuchs von den norwegischen Hochgebieten in Richtung Schweden und die Baltische See (Ostsee) und überdeckte das nördliche Polen, Norddeutschland und den grössten Teil Dänemarks. Beim letzten glazialen Maximum, vor gut 20’000 Jahren, erreichte diese Kalotte eine maximale Dicke von fast 4000 m. Auf der Westseite des Kontinents flossen die Eisströme in den Nordatlantik ab und erodierten die Kilometer tiefen Fjorde. Die Last der Gletscher auf dem skandinavischen Kontinent drückte diesen mehrere hundert Meter in die Tiefe. Seit dem Abschmelzen der Eismassen hebt sich der Kontinent wieder an. Während der Eiszeit lag der Meeresspiegel weltweit bis zu 150 m tiefer als heute. Man kann aus diesen Angaben leicht ableiten, dass derartige Veränderungen einen grossen Einfluss auf die Grundwasserzirkulation haben können. Auch die Erosion kann durch Gletscher erheblich beschleunigt werden.

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Diskussion
Die schwedischen und finnischen Endlagerprojekte sind (abgesehen von der in diesen Ländern geplanten Konditionierung der abgebrannten Brennelemente in Kupferkanistern) mit dem Kristallinkonzept der Nagra, im Rahmen des Projekts „Gewähr 1985“ zu vergleichen. Die damalige Rückweisung des Entsorgungsnachweises in kristallinen Gesteinen durch die schweizerischen Behörden beruhte auf der Klüftung der kristallinen Gesteine und auf der Unmöglichkeit, diese und die Wasserführung im kristallinen geologischen Untergrund zu prognostizieren. Fragezeichen kann man auch zur Zukunft der Lagerstandorte in Schweden und Finnland anlässlich einer Vereisung setzen. Dabei ist allerdings auch zu bemerken, dass beide Länder bei einer künftigen Vereisung ohnehin unbewohnbar wäre.
Spezialisten stellen das in Schweden und Finnland angewandte SKB-3 Barrierensystem in Frage. So beispielsweise auch S. Löw, Präsident der das ENSI beratenden „Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung“ (EGT); Löw hält namentlich eine Ausschwemmung des Bentonits durch das Kluftwasser für möglich[3].
Bezüglich der Stabilität der Kupferbehälter bestehen Zweifel an der Resistenz gegen Korrosion, falls sich das Lager in anoxischen (Sauerstoff freien) Bedingungen befindet. Sauerstoffmangel könnte zu einer starken Erhöhung der Löslichkeit des Kupfers führen und damit die Lebensdauer der Kanister erheblich verringern.
Und so stellt sich die Frage: Kann man sich unter diesen Umständen überhaupt eine verantwortliche, „dauernde und sichere“ Abfallagerung vorstellen? Zweifel sind sicher erlaubt.
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