Bild: Stimmbürger oder Steuerzahler?
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Die Schlacht um die Atomausstiegsinitiative ist geschlagen. Wer sie gewonnen, wer sie verloren hat, ist eine Frage der Definition. Denn die Gewinner haben vermutlich einige Milliarden verloren und die Verlierer eine der konstruktivsten und weitsichtigsten Debatten in der schweizerischen Demokratie geführt. Selten hat das Schweizer Volk so intensiv um eine Sachfrage diskutiert. Heute ist wohl jedermann bewusst, wie es um die Atomenergie und die Elektrokonzerne in der Schweiz bestellt ist. Dass die Elektrizitätskonzerne meist auf Verlust verkaufen, dass sie während Jahrzehnten vorgegaukelt haben, Atomstrom sei billig und umweltfreundlich, obschon sie uns und unsern Kindern für die Stilllegung und Abfallentsorgung eine riesige, ungedeckte Schuld hinterlassen.
Vorläufig verloren hat die Schlacht das Schweizer Volk, denn es hat sich mehrheitlich gegen einen geordneten Ausstieg aus dem Betrieb der Kernkraftwerke ausgesprochen, mit einem festen Kalender. Damit wäre eine Planung der Operation möglich geworden, die nun politischen Entwicklungen und Entscheiden überlassen wird.
Aber dieses Volks-Mehr, dieser Schein-Sieg, wird den Betreibern, aber auch den Aktionärskantonen, noch zünftig Bauchschmerzen verursachen. Die aus der Stilllegung der Kraftwerke entstehenden, durch Stilllegungs- und Entsorgungsfonds nicht abgedeckten Kosten gehen jetzt (kurzfristig und vordergründig) klar zu Lasten der Betreibergesellschaften, moralisch (und nach politischer Feilscherei?) auch zu Lasten der an den Kraftwerken und den Elektrizitätsgesellschaften beteiligten Kantone und Städte. Juristisch sind in der Schweiz die Betreibergesellschaften verantwortlich für die Entsorgung der aus Kernanlagen anfallenden Abfälle (siehe Anhang). Die atomare Stromwirtschaft kann zudem den Bund nicht mehr verklagen – man darf gespannt sein, welche Tricksereien die defizitäre Branche hervorzaubern wird, um sich zu refinanzieren.
Schwieriger wird’s mit der Sicherheit und noch mehr mit der nuklearen Unsicherheit. Hier liegt nun die ganze Last auf den Schultern des ENSI. Dieses wird künftig belegen müssen, dass ein Kernkraftwerk nicht mehr sicher und deshalb abzuschalten ist, eine einmalige Dummheit in der Geschichte der Atomenergie. Denn, wie wir in unserem Blog-Beitrag vom 31. Oktober 2016 dargestellt haben, ist dies aus methodischen Gründen gar nicht möglich. Deshalb hatte das ENSI in der Diskussion um die Energiestrategie 2015 auch beantragt, den Betrieb der Kernkraftwerke zeitlich zu beschränken. Die bürgerlichen Parteien haben dies aber abgelehnt; denn sachlich verstehen sie ja gar nicht worum es geht. Sie werden bei einem möglichen Reaktorunfall eine direkte Mitverantwortung und damit Mitschuld mittragen.
Es könnte nun aber sehr wohl sein, dass wirtschaftliche Gründe, v.a. Stromverkauf auf Verlust, die Laufzeit der Werke ohnehin viel weitergehend beschränken wird, als dies die Energiestrategie 2015 vorsieht. Es sei denn, die bürgerlichen Parteien beschliessen, Kernkraftwerke schon während der Laufzeit zu subventionieren.
Wir sind gespannt auf den Spektakel!
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Anhang: Wichtigste Aktionäre der Kernkraftwerks Betriebsgesellschaften und der zuständigen Stromkonzerne (Information aus Jahresberichten 2015):
Axpo Holding AG in %
Kanton Zürich 18,342
Elektrizitätswerke des Kantons Zürich 18,410%
Kanton Aargau 13,975%
AEW ENERGIE AG 14,026%
St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG 12,501%
Elektrizitätswerk des Kantons Thurgau AG 12,251%
Kanton Schaffhausen 7,875%
Kanton Glarus 1,747%
Kanton Zug 0,873%
Alpiq Holding SA
EOS Holding SA (EOSH, W-schweizer Kantone) 31,44%
EDF Alpes Investissements Sàrl (EDFAI) 25,04%
EBM (Genossenschaft Elektra Birseck) 13,65%
EBL (Genossenschaft Elektra Baselland) 7,13%
Kanton Solothurn 5,61%
Aziende Industriali di Lugano (AIL) 2,13%
IBAarau (IBA) 2,00%
Wasserwerke Zug (WWZ) 0,91%
Diverse (Börse) 12,09%
KKG Gösgen-Däniken AG
Alpiq AG, Olten 40%
Axpo Power AG, Baden 25%
Centralschweizerische Kraftwerke (CKW) 12.5%
Energie Wasser (EWB) Bern 7.5%
Stadt Zürich 15%
KKL Leibstadt AG
AEW Energie AG 5.4%
Alpiq AG 27.4%
Alpiq Suisse SA 5%
Axpo Power AG 22.8%
Axpo Trading AG 16.3%
BKW Energie AG 9.5%
Centralschweizerische Kraftwerke AG 13.6%
BKW, Kernkraftwerk Mühleberg (KKM)
Kanton Bern 52.54 %
Groupe E AG 10.00 %
E.ON SE 6.65 %
Eigenbestand 8.35 %
Markus ramsauer
https://www.wahlen.zh.ch/abstimmungen/2016_11_27/viewer.php?table=resgemeinden
Die Abstimmungsresultate aus dem Zürcher Unterland, Bezirk Andelfingen, wo man sich gegen die Pläne der Nagra wehrt. Die Lernresistenz ist enorm.