Von Marcos Buser
Es gibt nichts daran zu rütteln: unsere Gesellschaft muss sich zwingend der Frage der nuklearen Entsorgung annehmen. Ohne wenn und aber. Nach der heute mehrheitlich akzeptierten Einschätzung scheint der Weg, den auch die Kommission „Entsorgungskonzepte radioaktive Abfälle EKRA“ im Jahr 2000 vorgeschlagen hatte, der wohl Einzige zu sein, der gegenwärtig umsetzbar und damit realistisch scheint: die geologische Tiefenlagerung mit Option auf Rückholbarkeit. Auf dieser Basis wurde die Schweizerische Kernenergiegesetzgebung 2003 im Parlament verabschiedet und im Februar 2005 in Kraft gesetzt. Und auf dieser Grundlage wurde wiederum der „Sachplan geologische Tiefenlager“ (SGT) entwickelt – das Schweizerische Standortsuchverfahren.
Nach rund einem Drittel der Reise muss man sich allerdings Fragen, wohin die Reise gehen soll. Blicken wir kurz zurück: Das Projekt startete mit grossen Erwartungen und der auch international bei jeder Gelegenheit propagierten Überzeugung, ein vorbildliches Standortsuchverfahren eingeleitet zu haben. In der Hälfte der zweiten Etappe des Sachplans machte sich allerdings Ernüchterung breit. Nach zwei Einengungsetappen wurde man auf der „weissen Karte Schweiz“ dort fündig, wo man bereits vorher mit der internen Aktennotiz AN11-711 der Nagra gewesen war, die im Oktober 2012 publik geworden war: Im Zürcher Weinland, in Nördlich Lägern und im aargauischen Bözberg. In Sachen Überraschungslosigkeit ist dieses Verfahren also wirklich kaum zu übertreffen.
Das Vorgehen, das von den offiziell betrauten Institutionen gewählt und umgesetzt wird, weckt darum Zweifel und Misstrauen. Die vorliegende Plattform „nuclearwaste.info“ setzt sich darum das Ziel, die Arbeiten der nuklearen Entsorgung in der Schweiz eng zu begleiten. Und zwar nicht allein auf der Ebene des Vorgehens oder der politischen Rezeption. Genauso wichtig erscheint uns, strategische Programme und Entscheide durchzudenken und weiter zu entwickeln sowie wissenschaftliche Grundlagen, die anderweitig nicht erarbeitet werden, auszuführen. Diese Arbeiten sollen zudem dazu beitragen, die konkreten Entsorgungsprogramme der Nagra, die Arbeiten der Sicherheitsbehörden und der beratenden Kommissionen und des Prozessführer Bundesamt für Energie einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
Vordringlich erscheint uns, das Vorgehen bei der Standortwahl zu prüfen. Zum einen sicher die Berichts-Walze, die über Kantone und Standorte niederging und weiterhin niedergeht. Zum anderen aber vor allem die Qualität der strategischen Entscheide bei der Einengung, etwa auch Fragen, ob eine Standortauswahl ohne Präzisierung von baulichen Konzepten überhaupt möglich ist oder warum bisher bekannte geologische Schwachstellen bei den gewählten Standortregionen nicht gezielt untersucht wurden. Aber dabei wird es nicht bleiben: genau so wichtig ist es, aufzuzeigen, welche strategischen, planerischen und wissenschaftlichen Arbeiten zu einem belastbaren Entsorgungsprogramm radioaktiver Abfälle gehören und wie solche Entscheide zustande kommen. In Kurzform: Nicht nur Kritik, sondern auch die Wege aufzeigen, wie es klüger, besser und vielleicht sogar haushälterischer gemacht werden kann. Dies betrifft auch die Frage nach den künftigen Strukturen im schweizerischen Entsorgungsprogramm sowie die Aufsichtsfunktionen, die Prozessführung und die Einbindung der regionalen und lokalen Bevölkerung.