Der heikelste Ressourcenkonflikt tritt dort ein, wo Rohstoffe unterhalb des nuklearen Abfalllagers liegen (siehe Blogeintrag vom 10. April 2015). Bei der Ausbeutung dieser Rohstoffvorkommen wird das Gesteinsvolumen örtlich reduziert. Der entstandene Hohlraum widersteht dem Gesteinsdruck nicht, das darüber liegende Gestein gibt nach und bricht ein; es „setzt“ sich. Diese Senkungen können sich bis an der Erdoberfläche durchpausen, Geologen sprechen dann von „Subsidenz“.
Die Abbildung 1 zeigt eine derartige Senkung auf Grund eines natürlichen Verlustes von Gesteinsvolumen: Unter dem Zentrum der Alphütte wird durch Sickerwasser Salzgestein oder Gips weggelöst. Dadurch senkt sich der Grund ab und das Gemäuer des Stalles versinkt allmählich in dem sich bildenden Senktrichter, der sogenannten Doline. Früher oder später wird die Alphütte in sich zusammenbrechen.
Klassische Fälle von Subsidenz durch menschlichen Einfluss sind aus dem Bergbau und aus der Gewinnung von flüssigen und gasförmigen Kohlenwasserstoffen bekannt. Als Beispiel eines fahrlässig provozierten Einbruchs einer Mine sei hier der Fall der Industriedeponie StocaMine (v.a. Chemieabfälle) im Elsass angeführt (Abbildung 2). Hier bewilligten die Behörden im Jahr 1997 die Anlage von Stollen für die Lagerung von bis zu 320’000 Tonnen Abfällen. Die Stollen wurden im Salzkörper in einer geologischen Schicht 23 m bis 25 m unterhalb der abgebauten Kalisalzschichten angelegt. Das Lager sollte reversibel bleiben, d.h. dass die Abfälle sollten während der gesamten Betriebsdauer von 30 Jahren nur provisorisch hier eingelagert werden, um sie im Bedarfsfall wieder zurückholen zu können. Zugelassen waren, wie bei allen Untertagedeponien, nicht reaktive und damit auch nicht brennbare Sonderabfälle.
Die Einlagerung begann am 10. Februar 1999. Am 10. September 2002, als bereits 44’000 Tonnen Abfälle eingelagert waren, fingen von der Betriebsführung (illegaler Weise) zugelassene brennbare Abfälle in der Mine Feuer. Auf Grund der hohen Temperaturen brachen in einem der Lagerblöcke Stollen teilweise ein (Abbildung 3). Auf Grund dieses Ereignisses wurde der Betrieb der Deponie gestoppt.
Es versteht sich, dass sich der Schaden in den Lagerstollen und die Senkungen durch die Konvergenz der Stollen nun in Richtung der Erdoberfläche ausdehnen werden. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil der ehemalige, 23 bis 25 m über der Deponie liegende Kaliabbauhorizont auch nach dessen „Verschluss“ hydraulisch durchlässig bleiben wird. Wasser wird auch über diesen Weg bis zu den Chemieabfällen vordringen. Der Betreiber der Anlage und die zuständigen Gutachter (Ineris) geben die Flutung der Lagerstollen unumwunden zu. Sie schieben den Eintrittszeitpunkt aber in die Zukunft und sprechen von Zeiträumen von hunderten und sogar von tausenden Jahren, bis das Grundwasser in die Lagerkavernen eindringen würde und die belasteten Chemiesickerwässer wieder ausgepresst würden. Begleitet würde dieses Szenario im Lagerperimeter auch durch Senkungen des Bodens, wie dies im gesamten Perimeter des bisherigen Kaliabbaus der Mines de Potasse d’Alsace (MDPA) bereits zu beobachten war.
Wie beim Bergbau kommt es in Erdöl- und Erdgasfeldern weltweit immer wieder zu Bodensenkungen von grossem Ausmass, mit Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen (Ketelaar 2009). Auch hier pausen sich die Senkungen im Untergrund, die durch die Entnahme von Erdöl und Erdgas entstehen, bis zur Oberfläche durch, und dies, obschon kein eigentlicher Kavernenbau erfolgt. Liegt nun ein Lager mit radioaktiven Abfällen in einer solchen Senkungszone, so ist damit zu rechnen, dass entsprechende Wegsamkeiten im Gestein geschaffen werden, durch die Wasser in das Lager zufliessen kann. Der am meisten gefürchtete Störfall tritt dann ein. Lagerstandorte dürfen deshalb in keinem Falle in Gebieten mit ausbeutbaren Bodenschätzen auf tieferem geologischem Niveau liegen.
Der Frage der Lage der von der Nagra vorgeschlagenen Lagerstandorte bezüglich Ressourcenkonflikten muss zwingend nachgegangen werden. Auch in Zusammenhang mit dem laufenden Sachplanverfahren, das ja auch die Nutzungskonflikte grundsätzlich thematisiert (Nagra 2014). Dies bedingt, dass der Frage der Geometrie des Permo-Karbon-Trogs unter den Lagerstandorten der Nordschweiz sowie den Trograndstörungen höchste Priorität eingeräumt werden muss, damit sichergestellt ist, dass Lagerzonen ausserhalb der gefährdeten Perimeter zu liegen kommen. Dieses Sicherheitskriterium ist insbesondere für das Auswahlverfahren der Etappe 3 des Sachplanverfahrens von grosser Bedeutung.
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