„Lagerstandorte dürfen in keinem Falle in Gebieten mit ausbeutbaren Bodenschätzen auf tieferem geologischem Niveau liegen“, postulierten wir schon in unserer kleinen Analyse von 1984 zu den, von der Nagra ausgewählten Standorten für hochaktive Abfälle im kristallinen Untergrund der Nordschweiz (Buser und Wildi 1984). Wir bleiben bei dieser Überzeugung (siehe auch Blogeintrag vom 17. April 2015). Nun wiederholt sich ein vergleichbares Szenario, welches schon das Kristallinprojekt zu Fall brachte. Es gibt nun einmal Gebiete im geologischen Untergrund, die sich für die Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle einfach nicht eignen. Und die Frage stellt sich im Sachplanverfahren Etappe 2 für den vorselektionierten Standort Bözberg und teilweise auch für das Weinland. Grund ist der tiefe Untergrund: Der Standort Bözberg liegt über dem sogenannten Permokarbontrog, gleich wie der heute in Reserve gestellte Standort nördlich der Lägern. Der Standort Weinland grenzt an den Trog.
Der Permokarbontrog wurde vor mehr als 40 Jahren durch die Oelindustrie entdeckt und sein Verlauf publiziert (siehe z.B. Ziegler 1978). Die Nagra hatte diese Erkenntnis aber nicht in die Planung ihrer Tiefbohrungen im Rahmen des Projektes „Gewähr“, in den Jahren 1978 bis 1985 einbezogen (Buser & Wildi 1984). So kam es zu einer Wiederentdeckung, wie einst jene Amerikas durch Christoph Kolumbus.
Diese Wiederentdeckung verdanken wir der Tiefbohrung in Weiach, die im Rahmen des Projekts „Gewähr“ durchgeführt wurde, um den kristallinen Untergrund, also Granite und Gneise zu erforschen. Die Bohrarbeiten begannen im Frühjahr 1982. Am Anfang lief das Programm wie vorgesehen ab. Dann kam – Anfang Mai 1983 – die Hiobsbotschaft, dass die Bohrung Weiach unter den Sedimentgesteinen der Trias nicht wie vorgesehen auf das kristalline Grundgebirge, sondern auf eine Formationen von roten Sedimenten aus der Permzeit gestossen war, in grösserer Tiefe gefolgt von Schichten mit Kohleflözen aus der Karbonzeit und erst in 2 km Tiefe auf das kristalline Grundgebirge. Im Sommer desselben Jahres stiess die Bohrung Riniken auf eine mächtige Serie von Gesteinen aus dem Perm, ohne das kristalline Grundgebirge zu erreichen: Man hatte offensichtlich einen sogenannten Permokarbontrog im Grundgebirge angebohrt (Abbildung 1).
Die Entstehungsgeschichte dieser Becken oder Tröge erklärt man wie folgt: Am Ende des Erdaltertums (Paläozoikum) ereignete sich im Südschwarzwald und im Bereich der Nordschweiz (wie übrigens in weiten Teilen Zentraleuropas) eine Gebirgsbildung, mit Intrusionen von granitischen Magmen aus der tiefen Erdkruste, Verfaltungen und metamorphen Umwandlungen von Gesteinen. Diese Bewegungen in der Erdkruste waren vor etwa 320 – 310 Millionen Jahren abgeschlossen. Auf dem ganzen westeuropäischen Kontinent ereigneten sich aber weiterhin wichtige Scherbewegungen, welche zum Einbruch von langgestreckten Gräben in der Erdkruste führten, zu denen auch der sogenannte Permokarbontrog der Nordostschweiz zählt. Gebirgsketten wurden herausgehoben und erodiert. Das Erosionsmaterial Kies, Sand, Silt und Ton lagerte sich in den Gräben und andern Senken während der Abkühlung und Absenkung dieser Zonen ab. Da die Landschaften damals stark bewaldet und von Sumpfgebieten überzogen waren, bildete sich mächtiger Torf, der später zu Kohle umgewandelt wurde. Die älteren Sedimente finden sich heute eingeklemmt und stark deformiert in den tektonischen Gräben, die jüngeren Sedimente bilden regelmässige Füllung in sanften Mulden über den Gräben und dem benachbarten kristallinen Grundgebirge (Abbildung 2). Bei der folgenden Meeresüberflutung von Zentaleuropa während der Triaszeit, ab etwa 220 Millionen Jahren, war die Landoberfläche fast flach.
In Weiach wurden nicht nur Kohleflöze entdeckt, sondern auch feinkörnige, sandige bis tonige Gesteine mit grossem Gehalt an organischer Materie. Dies bedeutet, dass im Gestein unter starken Überdeckung und entsprechender Wärme, auch Gas gebildet wurde. Dieses kann als frei zirkulierendes Erdgas, oder als sogenanntes „Tightgas“ oder als „Schiefergas“ vorliegen. Im ersten Fall füllt es Poren in Gesteinen mit viel Porenraum und könnte durch das Anbohren des Reservoirs gewonnen werden. Tightgas und Schiefergas können durch „Fracking“ ausgebeutet werden. Aus diesem Grunde erfolgten zwischen 2000 und 2004 in einer Bohrung Weiach 2 ausgedehnte Fracking-Test (https://www.ensi.ch/de/question/einfluss-von-fracking-auf-sicherheitstechnische-beurteilung/). In der Interpretation dieser Tests verschweigt die Nagra allerdings die Gefahr der Subsidenz, falls im Permokarbontrog grössere Gasvorkommen ausgebeutet werden sollten.[1]
Bis heute sind die Bohrungen von Weiach der einzige materielle Beweis für die Anwesenheit dieser Kohlenwasserstoffe im Permokarbontrog. Die europaweite Erfahrung zeigt aber, dass solche Rohstoffe weit verbreitet sind. Allerdings müsste dies im Bözberg durch Tiefbohrungen nachgeprüft werden. Finden sich im Untergrund des Lagerstandortes, der Lagerzufahrt oder in der näheren Umgebung solche Vorkommen, so ist mit deren Ausbeutung in den kommenden Jahrzehnten oder Jahrhunderten zu rechnen. In diesem (sehr wahrscheinlichen) Falle, wäre der Standort, gleich wie jener in Lägern Nord sowohl für ein Lager von schwach- und mittel radioaktiven, als auch für ein Lager von hoch radioaktiven Abfällen ungeeignet. Auch in den angrenzenden Gebieten zum Standort Weinland ist dieses Szenario zu überprüfen.
In der Nordostschweiz gibt es aber nicht nur Kohlenwasserstoffe als Bodenschätze. Auch die Frage des Thermalwassers, bzw. der Geothermie verdient eine Betrachtung, wie noch zu zeigen sein wird.
[1] Subsidenz bei der Ausbeutung von Bodenschätzen, gehört zum ABC des ausgebildeten Geologen. Die hier geführte Diskussion mag daher Kennern der Materie als überflüssig erscheinen. Offensichtlich ist sie es aber nicht, wie der Ablauf des Sachplanverfahrens zeigt.
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