Nukleare Entsorgung Schweiz: Standortwahl und Umgang mit Expertenwissen
Marcos Buser (Zürich), André Lambert (Baden), Walter Wildi (Genf)
Der beiliegende Folienset wird von drei Geologen gezeichnet, die die Standortsuche des schweizerischen Entsorgungsprogrammes seit vielen Jahrzehnten aktiv begleiten. Alle drei Autoren hatten über lange Jahrzehnte offizielle Funktionen bei der mit der Entsorgung radioaktiver Abfälle betrauten Nagra inne respektive begleiteten das Entsorgungsprogramm bei praktisch allen in dieser Fragestellung relevanten Kommissionen des Bundes oder der Kantone. Speziell zu erwähnen ist, dass das heute verfolgte Konzept des geologischen Tiefenlagers (EKRA-Konzept) massgebend von zwei dieser Autoren geprägt wurde.
Die Misserfolge des schweizerischen Entsorgungsprogramms seit seinen Anfängen und die Probleme, welche auch den 2008 lancierte «Sachplan geologische Tiefenlager» begleiten, zeigen, dass es grundlegende Probleme zwischen der politischen und administrativen Führung dieses zweifelsohne schwierigen Programms auf der einen Seite und der Erfüllung wissenschaftlicher und technischer Qualitätsstandards auf der anderen gibt. Das Verhältnis zwischen Politik und Expertise im Falle dieses Mehrgenerationenproblems ist bislang nie sauber geklärt worden. Wie steht es um das Verhältnis von politischer und wissenschaftlicher Entscheidungsfindung? Wie geht die politische Entscheidungsfindung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen um, die nicht passen oder sogar krass im Widerspruch zur offiziellen Politik stehen? Wie gehen diese beiden Programm- und Wissensträger mit ihren Führungs- und Wissensansprüchen um? Erfüllt die Governance des Entsorgungsprogramms die Ansprüche an eine qualitativ hochstehende problemorientierte wissenschaftsbasierte Führung eines solchen Programms? Welche Korrekturmassnahmen müssten für die weitere Führung dieses Programms umgesetzt werden?
Es sind eine Vielzahl von Fragen, welche im Rahmen des kleinen Vortrags vor der Fachkommission Umwelt, Energie und Raumplanung der SP Schweiz kurz präsentiert werden. Der beiliegende Folienset zeigt einige Beispiele für die im Rahmen des Sachplans bisher gemachten Programm- und Planungsfehler und schlägt für die Zukunft grundlegende Verbesserungen in der Governance des schweizerischen Entsorgungs-Programms vor.
Die Analyse des bisherigen Verlaufs des Sachplans zeigt eine grundlegende Anzahl Defizite. Zu nennen sind Planungs- und Vorgehensfehler in den Umsetzungs- und Forschungs-Programmen, eine de facto fehlende Prozesskontrolle, welche unangenehme oder nicht sein-dürfende Entwicklungen mit einbezieht beziehungsweise eine schwache Aufsicht und Projektführung. Will man diese seit Jahrzehnten immer wiederkehrenden Probleme lösen, sind endlich grundlegende Anpassungen in der Governance des Programms erforderlich. Die Rollen zwischen Politik und Wissenschaft in komplexen Mehrgenerationenprogrammen sind grundlegend zu klären und die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft in der Zukunft ist grundlegend neu zu organisieren. Die Verdrängung und der Ausschluss (Exklusion) von Unangenehmem ist bei langfristig angelegten Mehrgenerationenprogrammen kontraproduktiv und unakzeptabel. Es braucht weitreichende Strukturreformen, insbesondere bei der Aufsicht und der Prozessbegleitung respektive bei der Fehler- und Sicherheitskultur. Ohne solche Strukturreformen werden sich die bisherigen Probleme bei der nuklearen Entsorgung fortsetzen.
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