In den letzten drei Beiträgen haben wir uns dem Thema „Wissenschaftler als Risikofaktoren im Sachplanverfahren“ angenommen. In dem heutigen Beitrag werfen wir nun einen Blick auf Wissenschaftler, die wissenschaftliche Fakten an eine breitere Öffentlichkeit weitergeben und damit die wissenschaftliche Information aufbereiten und transformieren. Dieser Aufbereitungs- und Transformationsprozess wird heute aber immer weniger von den Wissenschaftlern selber vorgenommen, sondern an spezialisierte Unternehmen delegiert, welche die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen, und zwar sowohl in wissenschaftlichen Institutionen (Hochschulen), Administrationen oder Unternehmen. Grossen Anteil an solchen Aufbereitungs- und Transformationsprozessen haben die erwähnten Public Relations Agenturen, Firmen also, welche die Beziehungen von Unternehmen oder Administrationen zur Öffentlichkeit bewirtschaften und auf diese Weise das Selbstbildnis ihrer Institution oder Organisation mit gestalten. Es geht bei diesem Prozess zuletzt also nicht mehr in erster Linie um den Inhalt von Information, sondern vielmehr um die Verpackung, mit der man den Inhalt umgibt. Wissenschaftliche Arbeiten und Prozesse werden so zu Produkten von Institutionen, die wie jedes andere Konsumgut vermarktet werden und der Imagepflege dienen sollen. Durch diesen Vermarktungsprozess erhoffen sich Institutionen namentlich, ihre Glaubwürdigkeit oder ihren Ruhm zu fördern und Vertrauen in der Öffentlichkeit für ihre Anliegen zu erschaffen.
Der Vermarktungsprozess allerdings gleicht mehr einer Schau, bei der Zauberkünstler ihre Wundertüten öffnen und umgeben von Nebelschwaden Gewünschtes oder Unerwünschtes hervorzaubern und wieder verschwinden lassen. Imagepflege ist eine Welt der Illusion und der konstruierten Wahrheit, die mit allen erdenklichen Tricks, mit Verstellung und mit Masken, aber auch mit Hilfe von Machtpositionen und -instrumenten durchgesetzt wird. Macht ist ein entscheidender Faktor bei Etablierung und Durchsetzung der Verpackung. Jedes Mittel ist recht. Machiavelli lässt grüssen.
In einem Arbeitsklima, wo Imagepflege höher bewertet wird als wissenschaftliche Wahrheit, geht die Denk- und Handlungsfreiheit des Wissenschaftlers verloren. Entweder er verlässt ein Unternehmen oder eine Behörde, oder er ordnet sich den Regeln und dem Diktat der Politik und der wirtschaftlichen Interessen unter. Und verliert dabei seine Unschuld, nämlich das, was in der Wissenschaft das höchste Gut sein sollte: eigenständiges und hinterfragendes Denken, Unabhängigkeit und intellektuelle Redlichkeit. Wie wünschenswert wäre doch eine Welt, in der genau diese Werte und Güter gefördert würden. Wünschenswert und notwendig, angesichts der wachsenden Probleme, vor der die Menschheit steht.
Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Innerhalb der mächtigen staatlich-industriellen Machtallianz spielt der einzelne Wissenschaftler nur noch als Zuträger von Information seine kleine Rolle. Die Fäden ziehen andere. Und dazu gehören auch PR-Agenturen. Wort- und Bildillusionisten übernehmen die Rolle des Wissenschaftlers und sind damit beauftragt, die Meinungen zu beeinflussen und zu steuern. Eine erschreckende Einsicht wenn man bedenkt, dass Probleme wie die nukleare Entsorgung nur durch stringente, den Grundwerten der Wissenschaftlichkeit verpflichtete Programme erfolgreich umgesetzt werden können.
Schon Hannah Arendt hatte in ihren vor Jahrzehnten verfassten, vielbeachteten Essays über „Wahrheit und Lüge in der Politik“[1] auf den wachsenden Einfluss von Policy-Makern auf das Geschehen in der Politik hingewiesen und auf die Verkaufs- und Blendungsmentalität, welche ihren Schwindelprogrammen zugrunde liegen. Interessanterweise verfehlen aber diese häufig mit bedeutenden Mitteln ausgestatteten und grossem Aufwand betriebenen Machenschaften schlussendlich ihr Ziel, wie Arendt anhand der Pentagon-Papers und der Irreführung der Öffentlichkeit im Rahmen des Vietnam-Kriegs anschaulich beschreibt: „Bei der Lektüre der Pentagon-Papers stossen wir auf Leute, die ihr Äusserstes taten um Menschen zu überzeugen, d.h. sie zu manipulieren: da sie dies aber in einem freien Land versuchten, wo Informationen aller Art zur Verfügung standen, hatten sie niemals wirklich Erfolg“. [2] Die Wühlarbeit dieser Ränkeschmiede im Halbschatten des Gesetzes und der offiziellen Bürokratien lässt sich in offenen Systemen nicht vollends verdecken. So kommen Irreführung und Verschleierungsversuche und die Techniken der Manipulation dieser Leute und ihrer Interessengruppen schlussendlich doch einmal ans Licht.
Lobbyisten und ihre Auftraggeber
Hirzel.Neef.Schmid Konsulenten; eine unter vielen PR-Firmen. Die Liste der PR & Consulting Firmen ist lang, wie ein Blick ins Internet zeigt. Auch in der Schweiz. Denn PR ist offensichtlich ein äusserst lukratives Geschäftsfeld. Die Konsulenten bezeichnen sich selber als „das in der Schweiz führende Beratungsunternehmen für strategische Kommunikation und Public Affairs.“[3] Im Energiebereich scheinen sie jedenfalls führend zu sein, wie die Liste der prominenten Kunden verrät: Axpo, Alpiq, Nagra, UVEK, Bundesamt für Energie, Ensi, usw.[4] , ja bis zur Departementschefin Doris Leuthard reichen die Fäden, wie Presseartikel aufzeigen.[5] Wie ist es überhaupt nur möglich, dass eine private Lobbyisten-Organisation ein derartiges Machtnetz aufziehen kann, wie dies kürzlich in einem Beitrag auf infosperber am 29. September 2016 zu lesen war? Und die wie ein Spinnennetz im Verborgenen die Fäden ziehen kann (siehe Figur 1)?
Es gibt hauptsächlich drei Gründe, weshalb solche Unternehmen eine derartige Machposition erringen konnten. Der unmittelbarste Grund: mit dem Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) vom 17. Dezember 2004 wurden die Administrationen verpflichtet, ihre bisher unter Verschluss gehaltenen Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Anders gesagt führte das BGÖ dazu, dass Administrationen selber nicht mehr nach Belieben und Bedarf politischen Schiebereien und Tricksereien planen und umsetzen können. Das schmutzige Handwerk wird über Aufträge an Externe elegant ausgelagert um möglichst keine Spuren zu hinterlassen. Die Auftragsempfänger nehmen sich der „schmutzigen Wäsche“ an und verrichten die Arbeit im Solde von schwammig definierten Kommunikationsaufträgen. Eine clevere Arbeitsteilung. Umso mehr, dies der zweite Grund, dass Staat und Wirtschaft in demokratischen Systemen komplementäre Systeme darstellen, deren Wohl und Gedeihen von einander abhängt. Der Staat ist der übergeordnete Betrieb, der die Regeln setzt und die Infrastrukturen plant und teils ausführt und die langfristigen und gemeinschaftlichen Aufgaben erledigt. Die Wirtschaft ist der Konjunkturmotor, der den Wohlstand schafft und den Staat finanziert. Zwangsläufig verstehen sich beide Seiten – Staat und Wirtschaft – nicht als Gegensätze und arbeiten in vielfältiger Art und Weise eng zusammen, ganz besonders im Falle von Megaprojekten, wie sie im letzten Jahrhundert in zunehmendem Ausmass umgesetzt werden und wurden.
Auch die Atomenergie hätte sich ohne diese enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Industrie nie entwickeln können, wie bereits ein Blick auf die Geschichte des Atombombenbaus im Rahmen des Manhattan-Projektes 1942-1946 zeigt.[6] Allein schon die Kosten der Entwicklung des Atombombenprogramms und der unterschiedlichen erforderlichen Installationen zeigen, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Staat und Industrie in solchen Programmen tatsächlich war (Tabelle 1). Darum gibt es de facto keine Hürden für eine Zusammenarbeit, wenn es um gemeinsame Interessen geht, auch wenn von Gesetzes wegen klare Rollen für die verschiedenen Player vorgesehene sind.
Als dritter Grund für die Auslagerung staatlicher Aufgaben an Private kommt schliesslich eine äusserst menschliche Eigenschaft zum Tragen: die Bequemlichkeit. Warum soll sich eine Administration Kompetenzen hart erarbeiten, wenn diese anderweitig schon vorhanden sind? Warum also diese Kompetenzen nicht nutzen, wenn man am gleichen Strick zieht? Die Frage, dass dadurch eine gefährliche Verschmelzung von staatlichen und privaten Aufgaben stattfindet, die eigentlich getrennt erfolgen sollten, geht dabei unter. Und damit sind wir wieder bei der Verantwortung und den Rollen von PR-Leuten und Wissenschaftlern als Zuträger von Programmen nationaler Bedeutung.
Gefährliche Verlagerungen
Und genau hier findet die Verlagerung der Verantwortung von der Wissenschaft zu den Image-Machern statt. Der in Unternehmen wie auch in Administrationen angestellte Wissenschaftler gibt die Hoheit über sein Wissen und seine Daten an Menschen und Organisationen weiter, die ganz andere Ziele verfolgen. Nicht die wissenschaftliche Wahrheit steht jetzt mehr im Vordergrund, sondern der Schein, der durch dieses Wissen erzeugt werden und der politischen Programmen dienen soll. Genau an diesem Übergang setzt die Manipulation an. Hier lässt sich nach Bedarf filtern und umformen, schnipseln und wieder zusammenfügen. Der Wissenschaftler übergibt sein Werk den Administratoren und PR-Machern, die nun freie Hand haben. Eine „Brave new world“ – in Anspielung an den dystopischen Roman von Aldous Huxley oder mit Bezug auf das Ministerium für Wahrheit in George Orwells „1984“, das die Geschichte entsprechend den laufenden Ereignissen ständig nachschrieb und damit Vergangenheit wie auch die „hegelianische“ Zukunft kontrolliert.
Policy-Maker scheren sich einen alten Deut um Wahrheit. Ihnen geht es – wie oben dargelegt – ausschliesslich um die Verpackung.
Durch diese Verlagerung nach aussen werden die Administrationen zunehmend abhängig von den Strategien von PR-Unternehmen. Denn eine einzelne Administration hat keinen Überblick mehr, für welche anderen staatlichen oder privaten Akteure ein PR-Unternehmen arbeitet. Dadurch ballt sich Wissen bei diesen Agenturen zusammen und damit auch Macht. Gefährliche Verlagerungen, namentlich was die Rolle öffentlicher Anstalten anbelangt, die zunehmend abhängig von Einflüsterern und Ränkeschmieden im verborgenen Hintergrund werden.
Darum ist die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an private Unternehmungen des PR-Bereichs zu überdenken, wie dies auch die Interpellation von Nationalrätin Martina Munz vom 28. September 2016 nahelegt[7]. Es geht nicht an, dass PR-Unternehmen eine derartige Macht über staatliche Programme erlangen und sich zudem noch über öffentliche Gelder finanzieren lassen. Exekutivmitglieder und Administrationen haben hierzu Rechenschaft über die Verwendung der ihr anvertrauten öffentlichen Gelder zu liefern. Gerade im PR-Bereich. Vor allem aber ist das System der „Verpackung“ von staatlichen Programmen wie jener der nuklearen Entsorgung grundlegend zu hinterfragen. Nicht PR-Unternehmen sind an solchen Programmen zu beteiligen, sondern die wissenschaftlichen Institutionen, die über solche Programme und über die Manipulation von Daten und Ergebnissen wachen sollten. Denn der Weg der Manipulation wissenschaftlicher Daten führt unweigerlich dorthin, wo schon andere Entsorgungsprogramme unter hohen Kostenfolgen scheiterten: zur Sanierung von Standorten wie den Sondermülldeponien Kölliken oder Bonfol oder jenen der Atomendlager „Asse“, „Morsleben“ oder „WIPP“, die auf Kosten öffentlicher Gelder für hunderte von Millionen Franken (Deponien) bis Milliarden und Abermilliarden Euros oder Dollars (Atommülllager) saniert wurden oder werden müssen.
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