Schneider-Ammans Steuer-Deal. Die Berner sahen zu wenig hin.
… Ammann profitierte … von einem vorteilhaften Steuerdeal, ohne dass die Kantonsbehörden alle nötigen Abklärungen trafen ….
Tagesanzeiger, 24. April 2015
Seit Wochen rollt die PR-Lawine des Ensi über das Netz. Am 26. März 2015 verkündet es, seine Unabhängigkeit sei mehrfach gesichert[1], und beruft sich unter anderem auf eine Überprüfung des Ensi durch die IAEA im Jahr 2011, die von einer Überprüfungsmission der gleichen Organisation im April 2015 bekräftigt wurde. Am 31. März wurde dann das Ensi-Regelwerk offiziell vorgestellt (siehe unser Beitrag vom 17. März 2015). Und nun folgt die Mitteilung, die Machtposition des Ensi soll ausgebaut werden, so dass nur noch diese Institution in Sachen Sicherheit beschliesst. So jedenfalls die Empfehlung der IAEA-Folgemission (Integrated Regulatory Review Service IRRS), die am 17. April auf der Ensi-Webseite aufgeschaltet wurde.
Offensichtlich sind der IAEA-Mission die Berichte des UVEK (2012)[2] und des Ensi-Rats (2012)[3] beziehungsweise des vom Ensi-Rat beauftragten Büros „interface„[4] entgangen, die trotz allen Unterlassungen bei der Untersuchung und der Verschleierung der Sachverhalte, eingestehen mussten, dass Mauscheleien und Unregelmässigkeiten in den Beziehungen zwischen beaufsichtigter Nagra und Ensi an der Tagesordnung waren, und dies, obschon die Sachverhalte nur oberflächlich abgeklärt worden waren, wie das Büro interface selber einräumte[5].
Trotz diesen Unterlassungen, die fundamentale Prinzipien der Wissenschaftlichkeit und die Grundsätze der unabhängigen Aufsicht verletzen, folgerten das Ensi und ihre PR-Ghostwriter schon damals: “Externe Abklärung bestätigt Unabhängigkeit des ENSI”[6] und „Die Unabhängigkeit des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI ist intakt und soll weiter gestärkt werden“. [7] Man fragte sich schon damals, was gestärkt werden soll, wenn doch alles intakt ist!
Nun wird klar, was das Ensi unter gestärkt versteht: Der „Zweit-“ oder besser gesagt „Drittmeinung“, die bisher nach dem Willen des Parlaments durch die Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit vertreten wurde, sollen die Flügel gestutzt werden. Das Ensi soll das letzte Wort in sachlichen Fragen haben. Das Bundesamt für Energie war diesbezüglich schneller und hat sich bereits im Dezember 2013 die Gefügigkeit der Kommission in den Beurteilungen zum Sachplan geologische Tiefenlager gesichert.[8] Nun soll die Demontage der unabhängigen Beurteilung der Bundesinstitution abgeschlossen werden. Und dafür wird die Prüfungskommission der IAEA erneut eingesetzt, um die unangenehmen aussenstehenden Meinungen zu bodigen: „IAEA verlangen mehr Kompetenzen für das Ensi“. Noch mehr? Die aussenstehende Meinung hat ja gerade die Aufgabe, aus einer externen Perspektive Sicherheitsfragen zu thematisieren und Defizite oder Missstände zu erkennen und zu benennen. Wie sollen Missstände beseitigt werden, wenn die überprüfte Institution letztendlich über diese externen Prüfungen bestimmt? Denn etwas darf in diesem Kontext nicht vergessen werden: bei allen atomaren Sicherheitsfragen können Fehler katastrophale Folgen haben. Gerade aus diesen Überlegungen wurde ja die aussenstehende Drittmeinung installiert.
Unabhängig von grundsätzlichen Überlegungen zur Sicherheitskultur steht die Frage im Raum, wie sich eine Sicherheitsinstitution über Meinung und Willen eines nationalen Parlaments hinwegsetzen kann, das sich – im Anschluss an die Abschaffung der Kommission für die Sicherheit von Atomanlagen (KSA) 2007 – klar dafür ausgesprochen hatte, diese unabhängige Drittmeinung beizubehalten. Machtspiele dieser Art sind inhaltlich kontraproduktiv und schwächen genau das, was Sicherheitskultur nämlich ausmacht: die Hinterfragung und die unvoreingenommene Prüfung von Sachverhalten, Eigenschaften, welche die IAEA in allen ihren Reporten zur Sicherheitskultur nicht müde wird, heraus zu streichen. Solche Machtspiele diskreditieren letztendlich aber auch die Glaubwürdigkeit des Ensi, eine Glaubwürdigkeit, welche die Sicherheitsbehörde für die Akzeptanz ihrer Entscheidungen dringend benötigt. Man darf gespannt sein, wie sich das Parlament zu dieser Machdemonstration stellen wird.
Fussnote & Referenz
Kommentar verfassen