„Dieses Museum ist nicht eine Antwort, es ist eine Frage“ steht auf der Frontseite des Museums-Führers, die Besucher des US Holocaust Memorial Museum in Washington DC erhalten. Und schiebt gleich nach: „Was ist Ihre Verantwortung, jetzt, nachdem sie es gesehen haben, jetzt wo Sie es wissen“?
Die Frage gilt nicht nur für kriegerische Auseinandersetzungen und für mörderische Auslöschungskampagnen. Sie gilt für alle Tätigkeiten, die anderen Menschen Leid und Tod bringen können. Und in diesem Sinne auch für den Einsatz aller Technologien mit hohen Risiken und langer Laufzeitdauer, wie etwa die Atomtechnik und mit ihr die nukleare Entsorgung.
Die nukleare Entsorgung stellt eine neue Dimension von Herausforderung dar, was die Übernahme der Verantwortung betrifft. Im Gegensatz zu allen anderen, rascher ablaufenden Prozessen gilt es in diesem Bereich Generationen übergreifende Entwicklungen sicherzustellen. Anders gesagt, braucht es Stabilität, um Kontinuität zu gewährleisten. Stabilität politischer und wirtschaftlicher Systeme sowie Stabilität der Institutionen, wie sie bisher noch nie in diesem Umfang umgesetzt worden sind. Damit stellt sich auch die Frage nach Verantwortung neu und viel dramatischer, als dies bei allen bisherigen menschlichen Tätigkeiten der Fall war.
Es gilt sicherzustellen, dass Atomwaffen auf eine minimale Bedrohungsstufe zurückgefahren werden. Dass nur noch inhärent sichere Reaktoren betrieben werden können. Dass nicht ein System des rollenden Dauerhütens installiert wird, also Provisorien für das „ewige“ Verschieben. Was die gleichzeitige Lösung der nuklearen Entsorgung bedingt.
Wir erleben aber etwas ganz anderes. Die atomare Abrüstung kommt nur schleppend voran. Inhärent sichere Reaktoren gibt es nur auf dem Papier, und die Diskussion bewegt sich gegenwärtig auf die Langzeitverlängerung des Betriebs der altgedienten Reaktoren bis auf insgesamt 100 Jahre. Die bisherigen Entsorgungs-Projekte sind eins nach dem anderen havariert, zum Teil so schwer, dass eine Totalsanierung der Lager erforderlich wäre. Morsleben und Asse, neuerdings das WIPP. Alle oberflächennahen Deponien für SMA sind Sanierungsfälle. Alle. Eine Lösung der Abfallfrage ist weiter weg denn je. Die Wirtschaftlichkeit der Atomenergie ist gerade nur noch ein Lippenbekenntnis. Und doch fahren unsere Gesellschaften mehrheitlich auf den alten Geleisen weiter, als ob nichts wäre.
Ein Ausstieg? Höchstens zögerlich, obschon die Alarmglocken der Wirtschaftlichkeit und die sich anbahnenden Schäden bei der Entsorgung zum Himmel schreien. Korrekturen oder Ausstieg für falsch aufgegleiste Projekte? Gibt es nicht. Die Verantwortlichen fahren ein Projekt nach dem anderen an die Wand. Und das Schlimmste: die Zwischenlagerung der Abfälle weitet sich zeitlich wie mengenmässig aus, unter zum Teil himmelschreienden Sicherheitsbedingungen. Dauer unbestimmt. Gleichzeitig produziert die Nukleargemeinschaft Berge von Papiertigern, in der die öffentliche Meinung und jene der politisch Verantwortlichen beruhigt werden soll.
„Dieses Museum ist nicht eine Antwort, es ist eine Frage“ steht auf der Frontseite des Museums-Führers, die Besucher des US Holocaust Memorial Museum in Washington DC erhalten. Und schiebt gleich nach: „Was ist Ihre Verantwortung … jetzt wo Sie es wissen“?
Diese Frage werden wir wieder stellen. Regelmässig und laut.
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