Wie im Blog vom 3. April 2015 dargestellt wurde, muss im Zürcher Weinland (basierend auf der Erfahrung aus der Vergangenheit) während der Lagerzeit eines geologischen Tiefenlagers für hoch radioaktive Abfälle von bis zu einer Million Jahren, mit einer Erosion von bis zu 500 oder 600 Metern gerechnet werden. Damit würden die Gesteinsschichten über den Abfällen den Schutz der Abfälle nicht mehr garantieren. Und somit ist das wesentlichste Schutzkriterium nicht mehr erfüllt. Offen bleibt allerdings die Frage, ob die Option eines Lagers für schwach bis mittel radioaktive Abfälle, unter Einhaltung eines Inventars von kurzlebigen Isotopen weiter verfolgt werden kann und soll.
Bezüglich Gletschererosion ist die Situation am Bözberg einfacher, da dieser Bergzug in der Vergangenheit Gletscher durchziehen liess, ohne wesentliche Erosion. Schwieriger ist an diesem Standort (ebenso wie am ausgeschiedenen Standort Lägern Nord) die Situation bezüglich eines möglichen Ressourcenkonfliktes: Der Standort Bözberg liegt voll über dem sogenannten Permokarbontrog, in welchem Kohle- und v.a. nicht konventionelles Erdgas vorkommen. Sollte sich unter dem Standort selbst, unter der Zufahrtstrecke oder in unmittelbarer Umgebung ein wichtiges Kohle- oder Gasvorkommen finden, so würde der Standort sowohl für schwach- und mittel radioaktive, als auch für hoch radioaktive Abfälle aus der Wahl fallen.
Nicht zu vergessen sind auch Situationen wo Gesteine abgebaut werden, die den Opalinuston überdecken, wie etwa am Homberg (Gemeinde Auenstein). Dass ein mögliches Kalk- und Tonabbauprojekt der Jura Cement Fabrik in Wildegg an diesem Standort im Moment aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zurückgestellt wurde, heisst noch lange nicht, dass ein solches Projekt nicht in späteren Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten realisiert werden könnte. Vergessen wir nicht: bindige Baustoffe wie gebrannter Kalk oder das „opus caementitium“ – der Urbeton der Römer – sind seit Jahrtausenden im Gebrauch und wurden schon von antiken Gelehrten wie Vitruv und Plinius dem Älteren eingehend beschrieben. Das Patheon in Rom liefert das anschaulichste Beispiel für eine gegen 2000 Jahren alte, stabile „Beton“-Kuppel – und dies ohne Bewehrungseisen! Rohstoffe, die so universell im Bau einsetzbar und so einfach abbaubar sind wie am Homberg, könnten den Appetit künftiger Generationen wach halten. Und vor Nutzungsbeschränkungen und Verboten aus alten Zeiten, hat sich die Menschheit bisher immer um keinen Deut geschert. Auch der Angriff auf die Schutzschicht über dem Lager hätte also fatale Folgen für ein geologisches Tiefenlager.
Und zu guter Letzt: Die Frage der Nutzung der Geothermie ist für keinen der beiden Standorte, für den Bözberg ebenso wenig wie für das Weinland, beantwortet. Dies betrifft ebenso das kristalline Grundgebirge, wie den Permokarbontrog oder deren Bedeckung durch die Schichten des Mesozoikums.
Auch in der Schweiz ist der multifuktionalen Nutzung des Tiefuntergundes sehr viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bisher der Fall war (siehe parlamentarische Vorstösse Riklin (2011) und Gutzwiler (2011). Ansonsten droht sich in Sachen geologischer Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle das zu wiederholen, was sich bereits am Standort des alten Salzbergwerks Lyons (Kansas) zutrug und zur Aufgabe des Projektes führte (Alley & Alley 2013), wie auch das, was am Standort des WIPP befürchtet wird (Weart 2013): das wilde Erbohren des Untergrundes und die Schaffung eines durchlöcherten Gesteins-Emmentalers.
Fazit:
In Etappe 3 des Sachplans ist der Frage des Ressourcenkonflikts, v.a. am Standort Bözberg, grösste Beachtung zu schenken. Namentlich der Inhalt des Permokarbontrogs bezüglich der Ausdehnung der Kohlenwasserstoffe (Kohle, Tightgas, ev. konventionelles Erdgas und Schiefergas) ist und bleibt zur Zeit eine grosse Frage. Die Feststellung „Nach Leu (2014) ist das Standortgebiet Jura Ost nur vom Potenzial eines Ressourcentyps betroffen. Es handelt sich um Erdgas in dichten Gesteinen (tight gas) des zentralen Bereichs des Nordschweizer Permokarbontrogs. Dieses Potenzial wurde unter der gesamten Fläche des Standortgebiets lokalisiert (Fig. 4.3-4)“ (NAGRA 2014, S. 38) ist bis heute nicht durch Fakten belegt. Gemäss NAGRA (2014, Tab. 4.3-3, S. 47) sind an diesem Standort in Etappe 3 aber keine Bohrungen in und durch den Pertmokarbontrog hindurch vorgesehen! Dies ist weder akzeptabel, noch verständlich (es sei denn, es stände eine gewisse Absicht hinter dieser Vergesslichkeit).
Zur Gletschererosion bleibt die Frage, ob im Zürcher Weinland zumindest für schwach- bis mittel radioaktive Abfälle mit einer relativ kurzen Halbwertszeit eine hinreichende Sicherheit für ein geologisches Tiefenlager garantiert werden kann. Der erwähnte Bericht der Nagra (2014) bietet einen Ansatz für weitere Untersuchungen.
Referenzen
Alley, W. & Alley, R. 2013: Too hot to touch, the problem of high-level nuclear waste, Cambridge University Press.
Gutzwiller, F. 15.06.2011, Motion 11.3563 : Tiefe Geothermie. Schweizweite geologische Erkundung.
Leu, W. (2014): Potenzial der Kohlenwasserstoff-Ressourcen in der Nordschweiz. Nagra Arb.
Ber. NAB 14-70.
Nagra 2014: Konzepte der Standortuntersuchungen für SGT Etappe 3. NAB 14-83, Nagra, Wettingen.
Riklin, K. 17.03.2011: Postulat 11.3229 : Nutzung des Untergrundes (https://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20113229).
Weart, W. (ehemaliger Projektleiter WIPP) 2013: Mündl. Aussage, im Film „Die Reise zum sichersten Ort der Erde“ von Edgar Hagen, 2013.
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