Kurzkommentar zur AGNEB-ENSI Studie „Abfallbewirtschaftung im Vergleich“ vom Februar 2015
Im Jahr 2007 schufen die für die nukleare Sicherheit der Schweiz zuständigen Organe eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Mandat, Gesetzgebung und Praxis der Abfallbewirtschaftung zwischen radioaktiven und nicht radioaktiven Abfällen zu vergleichen.
Organische Abfälle
Die Frage war namentlich deshalb aufgekommen, weil die stark radioaktiven Ionenharze aus dem Betrieb der Kernkraftwerke bei der Behandlung einzig gepresst und sodann einzementiert werden. So sollen sie dereinst in ein geologisches Tiefenlager gelangen. Nun bestehen Ionenharze meist zu mehr als 80% aus organischem Material. Wären sie nicht radioaktiv, so dürften sie selbst nach der letzten Fassung der revidierten Technischen Verordnung über Abfälle (Stand 2011) aufgrund ihres hohen organischen Gehalts nicht in eine konventionelle Deponie gebracht werden, und schon gar nicht in eine Deponie für konventionelle (nicht radioaktive) inerte Stoffe. Diese restriktiven Bestimmungen sind dadurch begründet, dass organisches Material beim mikrobiellen Abbau Gas und andere Abbaustoffe bildet, welche die Mobilität von Schadstoffen (incl. radioaktiven) erhöhen. Im Falle der radioaktiven Abfälle besteht diese formelle Einschränkung des Gehalts an organischem Material deshalb nicht, weil die Ionenharze, sowie gewisse andere Abfälle aus dem Betrieb der Kernkraftwerke wegen ihrer hohen Radioaktivität schwer zu verbrennen sind. Hierzu taugt namentlich der Brennofen der Zwilag in Würenlingen, im Gegensatz zu den Erwartungen vor dem Ofenbau, bedauerlicherweise nicht.
Die AGNEB-ENSI Studie erkennt die Problematik der Organika und analysiert daher die möglichen Behandlungsarten von organischen Stoffen im radioaktiven Abfall, damit dieser möglichst vollständig mineralisiert wird, also seinen Gehalt an organischem Kohlenstoff möglichst verliert. Hierzu schreiben die Autoren des Berichtes: „Das Verbrennungsverfahren ist zwar am besten erforscht, aber für die hoch mit Aktivität beladenen Harze ungeeignet. Im Ergebnis stellt damit die endotherme, anaerobe Pyrolyse eine geeignete Methode dar, um höher radioaktive Materialien zu mineralisieren. Damit zeigen die Betrachtungen aus Sicht der Entsorgungspflichtigen, dass das Pyrolyseverfahren bei der Frage der Technologie, welche hoch mit Radioaktivität beladene IAH ( = Ionen Austauchharze) aus schweizerischen KKW zuverlässig mineralisieren könnten, im Vergleich mit anderen Methoden (beispielsweise Plasma- oder Verbrennungsverfahren) das Verfahren der Wahl ist.“
Diesem Ergebnis kann man ohne Zögern beipflichten. Dann stellt sich allerdings die Frage, was folgende Projektempfehlung der Arbeitsgruppe bezweckt: „Eine erweiterte Nutzung der bestehenden Plasmaanlage (ZWILAG) zur Eliminierung bzw. Mineralisierung von organischen Stoffen ist zu prüfen“. Besser wäre wohl folgende Formulierung: „Die Arbeitsgruppe schlägt vor, für hoch mit Radioaktivität beladene Abfälle mit hohem Gehalt an organischen Stoffen die beste heute weltweit verfügbare technische Lösung einzuführen und damit alle, auch die bereits konditionierten Abfälle zu behandeln“.
Metallische Abfälle
Gas wird im Tiefenlager beim Kontakt zwischen Metallen und Wasser gebildet, auch im Sauerstoff freien Milieu. Bildet sich Gas kontinuierlich und kann nicht entweichen, bauen sich Drücke auf, die auch das Gestein zerklüften können. Aber auch die geochemischen Verhältnisse werden durch das Gas beeinflusst. Ein wichiger Grund also, Metalle möglichst aus dem Tiefenlager fernzuhalten, wie dies auch der Bericht festhält:
„Bei den hochaktiven Abfällen . . . stammt nahezu die gesamte Menge der produzierten Korrosionsgase von den Lagerbehältern aus (Kohlenstoff-)Stahl. . . . Als Massnahme zur Reduktion der produzierten Gasmenge im HAA-Lager steht die Verwendung alternativer Behältermaterialien wie Kupferummantelung oder keramische Werkstoffe im Vordergrund. Die Entsorgungspflichtigen haben entsprechende Abklärungen veranlasst“.
Die Arbeitsgruppe empfiehlt darum auch abschliessend: “ . . . die Arbeiten der Entsorgungspflichtigen im Hinblick auf eine vertiefte Auswertung und sicherheitstechnische Beurteilung in Bezug auf die Verwendung von alternativen Materialien bei der Herstellung von Lagerbehältern für verbrauchte Brennelemente und verglaste hochaktive Abfälle sind weiter zu führen. Die Bedingungen des schweizerischen Entsorgungskonzepts sind dabei angemessen zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse der entsprechend zu planenden Untersuchungen sind im Entsorgungsprogramm 2016 durch die Entsorgungspflichtigen zu dokumentieren.“
Für schwach und mittel radioaktive Abfälle hält die Arbeitsgruppe fest, dass die Abtrennung der radioaktiven Eisen-, Kobalt- und Nickelisotope durch Schmelzprozesse nicht möglich ist. „Das Umschmelzen führt jedoch zu einem günstigen Oberflächen/Massenverhältnis und damit zu einer geringeren Gasproduktionsrate für die metallischen Abfälle. . . . . Deshalb wird die Möglichkeit der Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur (= Schmelzanlage) in der Schweiz durch die Entsorgungspflichtigen geprüft.“
Im Grossen und Ganzen ein gründlicher technischer Bericht, welcher eine gute Basis für eine Verbesserung der Form und der Konditionierung der radioaktiven Abfälle darstellen kann, vorausgesetzt, die Entsorgungspflichtigen und die Aufsichtsbehörden nehmen die Schlüsse aus der Studie positiv auf. Dass die Empfehlungen gegenüber den Schlüssen abschwächend wirken, verspricht aber wenig Gutes. In der Vergangenheit wurden schon oft Verbesserungen empfohlen, schlussendlich aber nicht umgesetzt.
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