Wir freuen uns, in diesem Blog-Beitrag einen Artikel aus dem Magazin „Fokus Linn“ (Nr. 6/2020) zu veröffentlichen, mit freundlichem Dank für die Erteilung des Copyrights durch den herausgebenden Verein „Pro Linn“ (www.linnaargau.ch).
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Harald Jenny
Der entscheidende Passus im Artikel ist der folgende:
„Wenig überraschend lautete die lapidare Auskunft, die Nagra habe «in Aussicht» gestellt, dazu einen «kurzen Bericht» zu verfassen. Und was die Begründung der Wahl betreffe, werde dies im Rahmenbewilligungsverfahren erfolgen sowie als Bestandteil der entsprechenden Gesuche dokumentiert.“
Die Arbeiten, die der Artikel fordert, wird die Nagra demzufolge durchaus machen; aber nicht für drei Standorte, sondern nur für einen. Und diesen Standort legt sie 2022 fest. Sollte sich herausstellen, dass er die Kriterien nicht erfüllt, sind noch zwei weitere Standorte impetto.
So wie der Sachplan konzipiert ist, sollten die zweifelos berechtigten Fragen aus dem Artikel in den Dokumenten des Rahmenbewilligungsgesuchs beantwortet werden. Dieses wird, wie damals die Dokumentation zum 2×2 Entscheid, vertieft zu studieren sein. Der „kurze Bericht“, welchen die Nagra zu verfassen gedenkt, erklärt wohl, weshalb sie bis auf weiteres nur mit einem einzigen Standortgebiet weitermacht.
Die Eingrenzung auf nur noch ein Standortgebiet im Jahr 2022 ist wohl nicht eine definitive technische Festlegung, sondern eine ökonomisch bedingte Einschränkung: möglicherweise will man das teure Rahmenbewilligungsgesuch nur für einen einzigen Standort ausarbeiten. Kommt man durch, umso besser für die Entsorgungspflichtigen. Kommt man nicht durch, hat man noch zwei weitere Eisen im Feuer.
Die logische Schlussfolgerung des Artikes wäre: Nagra, macht bitte drei Rahmenbewilligungsgesuche, eines für jeden Standort, damit wir aussuchen können. Das kann man schon fordern; es ist aber kaum realistisch, dass auf eine solche Forderung eingetreten wird.
Hans Burger
Der Kommentator (Herr H. Jenny) plädiert für einen raschen Standort-Vorentscheid allein durch die Nagra, welcher dann noch gar nicht mit der Auswertung, Interpretation und Dokumentation der Untersuchungsergebnisse von Etappe 3 begründet sein müsste und welcher auch nicht durch unabhängige Fachgremien (ENSI, AGSiKa-KES usw.) überprüft werden soll. Dies alles soll gemäss Jenny aus primär finanziellen Gründen erst „im späteren Rahmenbewilligungsgesuch“ erfolgen, und dies dann nur noch für den jeweils von der Nagra vorausgewählten Standort für HAA bzw. SMA. Ein korrekter, auf vollständigen und ergebnisoffen ermittelten Daten basierender Standortvergleich soll also entfallen, der Bund soll dann mit der Rahmenbewilligung nur noch den von der Nagra vorausgewählten HAA- bzw. SMA- Standort bewerten und, bitte schön, genehmigen.
Dies wäre eine völlige Abkehr vom bisherigen Vorgehen im Sachplanverfahren, bei dem in den Etappen 1 & 2 zuerst ergebnisoffen untersucht wurde, dann ausgewertet, interpretiert und dokumentiert wurde und dies schlussendlich durch externe Fachleute überprüft und dann vom Bundesrat festgesetzt wurde. Das von Herrn Jenny skizzierte und von der Nagra angestrebte „abgekürzte“ Vorgehen widerspricht den bisherigen im Sachplanverfahren beachteten Grundsätzen der Transparenz, der Nachvollziehbarkeit, der Ergebnisoffenheit und dem Prinzip „Sicherheit geht vor, auch gegenüber finanziellen Aspekten“. Auf diesen Grundsätzen basiert übrigens hauptsächlich die AKZEPTANZ des Sachplanverfahrens. Diese Akzeptanz dürfte in der (den) von der Nagra „auserwählten“ Standortregion(en) rapide sinken, wenn die bisherigen Grundsätze nicht mehr beachtet werden. Will das Herr Jenny riskieren? Ist er sich bewusst, dass mit dem von ihm vorgeschlagenen Verfahren (Nagra bezeichnet den weiter zu bearbeitenden HAA- bzw. SMA-Standort ohne Dokumentation der Etappe-3-Untersuchungen und ohne externe Überprüfung) ein RÜCKFALL in die Zeit vor dem Sachplan erfolgen würde? Ein kurzer historischer Abriss der Standortsuche in der Schweiz soll dies verdeutlichen:
In der bald 50-jährigen Geschichte der Nagra bestimmte diese während Jahrzehnten jeweils nach internen Vorabklärungen und nach teilweise nicht öffentlich begleiteten Untersuchungen den aus ihrer Sicht „besten“ (und sichersten) Standort bzw. Standortregion und ging damit an die Öffentlichkeit, um dann vertiefte Untersuchungen vorzunehmen. Dieses Vorgehen ging regelmässig schief: Für die SMA bestimmte die Nagra zuerst aus mehreren Dutzend vorgeprüften Standorten den OBERBAUEN UR als „sichere beste“ Wahl (wurde vom Bundesrat sogar amtlich bestätigt!). Kurz darauf verwarf die Nagra diesen (ihren eigenen) Standort wieder und präsentierte als Ersatz den „noch besseren“ Standort WELLENBERG NW. Wie wir aus dem nachfolgenden Sachplanverfahren wissen, ist auch der Wellenberg nicht der beste/sicherste SMA-Standort, sondern musste zwischenzeitlich aus dem Rennen genommen werden! Bei den HAA favorisierte die Nagra – ohne offene Rücksprache mit externen Fachgremien – 1978 aus mehreren möglichen Wirtsgesteinen das KRISTALLIN DER NORDSCHWEIZ als am besten geeignet und begann mit umfangreichen Untersuchungen. Nachfolgend festgestellte Mängel des Kristallins und der Druck unabhängiger Experten zwangen die Nagra zur Aufgabe des Kristallins und zum Umschwenken auf Sedimentgesteine. Es erfolgte die Einengung auf den Opalinus-Ton in der Nordschweiz. Kurz nach der Jahrtausendwende präsentierte die Nagra ihre Untersuchungen dazu und schlug vor, das ZÜRCHER WEINLAND als den besten Standort für die HAA vertieft zu untersuchen. Der Bundesrat akzeptierte diesen Standortvorschlag der Nagra nicht und setzte das jetzt laufende Sachplanverfahren in Gang.
Was lernen wir aus dieser Geschichte? Jedes Mal, wenn die Nagra eigenmächtig einen „bestgeeigneten“ Standort oder ein „bestgeeignetes“ Wirtsgestein vorschlug, stellte sich bei der späteren Überprüfung heraus, dass dem nicht so ist (bisher vier Mal geschehen). Im Sachplanverfahren hingegen, mit den oben genannten Prinzipien, sind wir bisher weitergekommen: Etappen 1 & 2 wurden ohne Rückfälle abgeschlossen. Dabei musste die Nagra ihre etappierten Untersuchungen jeweils vollständig auswerten, interpretieren, dokumentieren und durch externe Experten überprüfen lassen, bevor der Bundesrat darüber entschied. Will Herr Jenny nun zurückfallen in die alte Zeit, in der die Nagra „beste“ Standortvorschläge präsentierte, ohne dass dazu bereits die nötigen Untersuchungen, Auswertungen, Dokumentationen und externen Beurteilungen vorliegen? Dies wäre wohl der beste Weg, um die Akzeptanz des Prozesses zu torpedieren, regionale Widerstände zu provozieren und den Bund beim Vollzug einer schwierigen nationalen Aufgabe in Bedrängnis zu bringen. Anstatt billiger für die Atomwirtschaft dürfte es dann teurer werden.
Harald Jenny
Ohalätz. Es scheint riskant zu sein, sich in diesem Blog zu äussern. Man fühlt sich kurzerhand plattgewalzt…
Pragmatisch wäre meiner Meinung nach, zuerst einen der 3 Standorte via Rahmenbewilligungsgesuch nach allen Regeln der Kunst zu vertiefen, und wenn sich unüberwindbare Hindernisse auftun, dann auf einen der beiden anderen zu schwenken. Das ist ohne Kompromiss bei der Sicherheit möglich und nicht im Widerspruch zum Sachplan.
Maximalforderungen sind natürlich immer erlaubt, aber sie führen tendenziell eher zu Frust bei denen, die sie stellen…
André Lambert
Kommentar des Artikelverfassers und Blog-Autors in Personalunion:
Keine Bange, Harald Jenny! „platt-gewalzt“ wird auf unserer „Platt-form“ niemand, sie dient dem freien Meinungsaustausch. Wir begrüssen jede Äusserung. Deren Tonalität vermag nicht immer zu gefallen, primär zählt der Gedanke.
Damit zum Thema. Was Harald Jenny vorschlägt, wäre Stochern im Nebel der geologischen Unwägbarkeit. Im dümmsten Fall drei serielle Rahmenbewilligungen: das kann und will niemand wollen. Ist auch nicht nötig. Die Nagra wird die erforderliche Datengrundlage und Kenntnis zusammenkriegen, um den Standort vorzuschlagen, der am meisten Aussicht auf optimale Sicherheit verspricht. Aber sie muss ihre Überlegungen, Kriterien und Gewichtungen mit Bedacht und vor allem ohne unsinnigen künstlichen Zeitdruck eines ungeduldigen Managements vornehmen. Und offen dokumentieren, nachvollziehbar kommunizieren. Dazu gehört imperativ die Benennung der noch offenen Fragen, und wie diese bis zur Einreichung des (oder der) Rahmenbewilligungsgesuchs/e einer Lösung näher gebracht werden sollen. So wachsen Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Akzeptanz. Denn wie Hans Burger treffend schreibt: 4 von 5 Pfeilen hat die Nagra schon verschossen, der letzte im Köcher muss treffen. Die Nagra weiss und sagt es: die Standortbekanntgabe wird zum „Point of no return“. Möge die wissenschaftliche Redlichkeit dem geschäftsleitenden Druck nicht nachgeben! Die Grundlagen müssen jetzt gesichtet, geprüft, ausgewertet, diskutiert, dokumentiert und vor allem über die Regionen hinweg kritisch gewürdigt sowie nach vorgegebenen Kriterien gewichtet werden. Dazu bedarf es einer Synthese, mit konsistent-nachvollziehbar belegten Schlussfolgerungen. Erst auf dieser Basis kann schliesslich der sicherheitstechnisch untermauerte Standortvergleich erfolgen, der seinerseits die Auswahl glaubwürdig begründet.
Es ist Nagra‘s letzte Chance: Vergeigen verboten!
Harald Jenny
Wenn ich den Sachplan und Ihren Input richtig verstehe, dann sind genau die Daten, die Sie fordern, Inhalt der Dokumentation des Rahmenbewilligungsgesuchs:
Die Grundlagen werden im Rahmenbewilligungsgesuch gesichtet, geprüft, ausgewertet, diskutiert, dokumentiert und nach vorgegebenen Kriterien gewichtet. Dazu kommt eine Synthese mit konsistent-nachvollziehbar belegten Schlussfolgerungen.
Auf dieser Basis erfolgt im Rahmenbewilligungsgesuch der sicherheitstechnisch untermauerte Standortvergleich, der die Auswahl glaubwürdig begründet. Das Rahmenbewilligungsgesuch kann dann gemäss Sachplan über die Regionen hinweg kritisch gewürdigt werden.
Der einzige Unterscheid zwischen Ihrem Vorgehen und demjenigen der Nagra scheint zu sein, dass man vorab kommuniziert, zu welchem Ergebnis die provisorische Faktenlage führt. Die Nagra könnte stattdessen auch Ende 2021 sagen: Wir haben nun, was wir brauchen, und ziehen uns 2 Jahre zurück, erarbeiten sie geforderten Unterlagen und legen dann alles auf den Tisch, indem wir das Rahmenbewilligungsgesuch einreichen.
Die Konsequenz eines solchen Vorgehens wären 2 Jahre Unsicherheit und warten auf die Ergebnisse. Wäre das im Sinn der Transparenz besser? Vielleicht. Mir ist es lieber, ich weiss in einem guten Jahr, in welche Richtung die Reise potenziell geht, auch wenn es erst provisorisch ist und noch ändern kann. Das hat mit Stochern im Nebel der geologischen Unwägbarkeit nichts zu tun; die Nagra wird die erforderliche Datengrundlage und Kenntnis zusammenkriegen, um den Standort vorzuschlagen, der am meisten Aussicht auf optimale Sicherheit verspricht. Diese Datengrundlage wird nach meinem Verständnis im Rahmenbewilligungsgesuch enthalten sein.
André Lambert
Herrn Jenny sei empfohlen, seine Gedankengänge an den „Ausschuss der Kantone“ (AdK) zu richten. Sachdienliche Orientierung findet er in dessen „Stellungnahme zur SGT Etappe 2“ (2017), Seite 15/34:
„Während der 2×2-Vorschlag in Etappe 2 auf einer Negativplanung beruhen musste (die am wenigsten geeigneten Standorte fallen weg), wird die Auswahl für die Vorbereitung eines RBG einer Positivplanung entsprechen: der beste Standort bzw. die beiden besten Standorte. Dieser Auswahl kommt höchste Bedeutung zu: Ein Rückkommen auf andere Standorte wäre nur schon politisch nicht vermittelbar. Entsprechend gut wird die Nagra diese Auswahl vorbereiten müssen: Faktisch erfolgt mit diesem Schritt die Standortwahl für ein oder zwei geologische Tiefenlager. Entscheidungsgrundlagen und Auswahlargumente müssen wissenschaftlich-technisch fundiert sein; dies bedingt zumindest in den Grundzügen frühzeitig deren externe Begutachtung, damit das Risiko eines Fehlentscheids – und damit des Misslingens des Sachplans – minimiert werden kann. Eine breite Beschäftigung mit der Standortwahl der Nagra erfolgt gemäss Sachplanverfahren aber erst im Rahmen der öffentlichen Vernehmlassung zu Etappe 3, d. h. etwa 2029 und damit bis zu 7 Jahre nach der Auswahl durch die Nagra. Es ist für die Kantone unbefriedigend, dass nach dem faktischen Standortentscheid der Nagra keine offizielle Vertiefung über diese Auswahl erfolgt. Der oder die betroffenen Kantone (und die entsprechenden Standortregionen) bleiben jahrelang in einem im Grunde unhaltbaren «Schwebezustand».
Harald Jenny
Wie würden Sie denn vorgehen, Herr Lambert? 2022 nichts kommunizieren? Zuerst alle Daten aufarbeiten? Wieviel Zeit nimmt das in Anspruch? Wann wären Ihrer Meinung nach die Daten in diesem Fall bereit? Wann würde nach Ihren Vorstellungen das Rahmenbewilligungsgesuch eingereicht?
André Lambert
Die Rede ist hier von einem „Projekt“, das Jahrzehntausende im Wortsinn dichthalten soll. Es kann also nicht sein, dass völlig realitätsfremd auf’s Papier gesetzte Jahreszahlen den Takt diktieren! Im Gegenteil: Der Zeitpunkt der Standortbekanntgabe ergibt sich aus einer in der wissenschaftlichen Objektivität gereiften, rein evidenzbasierten Auswertung der bestehenden Daten- und Kenntnisgrundlage. Also Aufhören mit unsinnigen, verwaltungs- und managementgetriebenen Terminsetzungen! Die Nagra tut jetzt das, was sie auf der wissenschaftlich-technischen Ebene unbestritten beherrscht: solide akademische Grundlagen- und Gedankenarbeit. Dann aufgrund der vorgegebenen Kriterien die Standorte vergleichen, gewichten, abwägen und schliesslich einen (ggf. zwei) Standort(e) priorisieren. Nicht den sichersten! Sondern denjenigen, der aufgrund der vorliegenden Kenntnisse die grösste Aussicht verspricht, auf Schweizer Territorium grösstmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Die Nagra wird ihre Gedankengänge und Überlegungen offen darlegen und dokumentieren („Argumentationsbericht“ o.ä.) und gleichzeitig die aus ihrer Sicht bis zur Einreichung des RBG noch zu bearbeitenden Fragen und ihren Stellenwert benennen.
Soweit alles sachplankonform. Dann aber gilt es, die unverständlichste Schwachstelle in diesem Sachplanverfahren mit Bedacht zu überbrücken. Der AdK hat sie in seiner Stellungnahme unmissverständlich formuliert. Nochmals das Zitat: „Entscheidungsgrundlagen und Auswahlargumente müssen wissenschaftlich-technisch fundiert sein; dies bedingt zumindest in den Grundzügen frühzeitig deren externe Begutachtung, damit das Risiko eines Fehlentscheids – und damit des Misslingens des Sachplans – minimiert werden kann.“
„Frühzeitige externe Begutachtung!“ Genau dies: Experten des Bundes und der Kantone stehen nämlich mit in der Verantwortung; sie müss(t)en im Minimum die Argumente und die Gedankengänge der Nagra für die provisorische Standortwahl nachvollziehen können – und dies auch öffentlich kundtun.
Man stelle sich vor: die Nagra gibt den Standort bekannt. Was tut subito der Journalist? Er stellt die Rufnummer 056 460 84 00 (=Ensi) ein und fragt, was die Behörde dazu meint. Der Ensi-Sprecher: „Dazu nehmen wir keine Stellung, erst im Rahmen der Begutachtung des Rahmenbewilligungsgesuchs, schätzungsweise in vielleicht fünf oder auch sieben Jahren. Auf Wiederhören.“ – Undenkbar!
Harald Jenny
Nehmen wir einmal den Kernsatz des AdK auf:
„Entscheidungsgrundlagen und Auswahlargumente müssen wissenschaftlich-technisch fundiert sein; dies bedingt zumindest in den Grundzügen frühzeitig deren externe Begutachtung, damit das Risiko eines Fehlentscheids – und damit des Misslingens des Sachplans – minimiert werden kann.“
Wann liegen diese Infos vor, damit die externe Begutachtung erfolgen kann?
In welcher Form müssen sie vorliegen? Wie unterscheidet sich diese Form vom Inhalt eines Rahmenbewilligungsgesuchs?
Was spricht dagegen, diese frühzeitige externe Begutachtung mit dem Rahmenbewilligungsgesuch durchzuführen?
Wir machen in der Tat ein Projekt für Jahrzehntausende. Da müsste es doch möglich sein, der Nagra die Zeit einzuräumen, ein solides Rahmenbewilligungsgesuch für die externe Begutachtung auszuarbeiten. Über dieses Gesuch können sich dann die externen Experten beugen.
Dass man schon ab 2022 weiss, für welches konkrete Setting die Nagra die Entscheidungsgrundlagen und Auswahlargumente wissenschaftlich-technisch fundiert aufbereitet, stört mich nicht. Im Gegenteil, ich finde es aus Transparenzgründen gut und wichtig. Was ist denn daran so störend?
Hans Burger
Herr Jenny, Sie sagen es: „der Nagra die Zeit einräumen …“. Die Nagra muss sich die Zeit nehmen, alle für einen Standortvergleich notwendigen Untersuchungen durchzuführen, auszuwerten, zu interpretieren und zu dokumentieren. Danach kommen die externe Begutachtung und allenfalls Ergänzungen / Korrekturen und erst dann der seriös begründete Standortentscheid. Aber die Nagra muss sich diese Zeit auch nehmen (wollen) und nicht dauernd über selbstgemachte oder von aussen eingeflüsterte Terminpläne stolpern. Vergleichen Sie, wie anders die Zeitpläne der deutschen Endlagersuche ausgestaltet sind! Die Halbwertszeit der jetzt schon vorhandenen radioaktiven Abfälle wird nicht kürzer, wenn ein stressiger Zeitplan ein paar Jahre „herausholen“ will. Ihre diesbezüglichen Fragen beantworten sich, wenn Sie nochmals diesen ganzen Blogartikel durchgehen. Als Erkenntnis bleibt dann:
Die Gründe für eine Standortbenennung erst NACH einer wissenschaftlich sauberen Untersuchung, Auswertung, Interpretation, Dokumentation und externen Begutachtung sind:
1. TRANSPARENZ der durchgeführten Beurteilung und der darauf beruhenden Entscheide für die Öffentlichkeit.
2. GLAUBWÜRDIGKEIT des Standortfindungsprozesses.
3. AKZEPTANZ durch die betroffenen Regionen und Kantone.
Zudem sind dies heute die politischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen zur Abwicklung eines derart heiklen Prozesses.
Ohne die Erfüllung der drei oben genannten Punkte werden Sie keinen politisch genehmigungsfähigen Standortentscheid mehr durchbringen, auch keinen „provisorischen“ oder „angekündigen“.
Harald Jenny
Ich finde Ihren Ansatz gut, Herr Lambert, und ich sehe keinen Widerspruch zum Sachplan. Die politische Abstimmung findet erst NACH der wissenschaftlich sauberen Untersuchung, Auswertung, Interpretation, Dokumentation und externen Begutachtung statt, genau so, wie Sie das fordern. Damit werden Ihre drei Bedingungen Transparenz, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz erfüllt.
Ob es nun gerechtfertigt ist oder nicht, die ASR vorzuziehen, darüber muss die Nagra urteilen. Diese Entscheidung hat aber auf die Erfüllung Ihrer Forderungen KEINEN Einfluss. Die wissenschaftlich saubere Untersuchung, Auswertung, Interpretation, Dokumentation und externe Begutachtung wird damit nicht präjudiziert. Und sollte die Nagra zum Schluss kommen, dass 2022 für die ASR zu früh ist, würde sie dies zweifelsohne der projektleitenden Behörde mitteilen. Ich mache mir diesbezüglich keine Sorgen.
Damit, und um diese wertvolle Blogdiskussion zu einem Abschluss zu bringen:
1. Ja zur umfassenden Prüfung vor der Entscheidung an der Urne mit dem Ziel der GLAUBWÜRDIGKEIT;
2. Ja zum Vertrauen in die Nagra, dass sie im Sinn der TRANSPARENZ richtig beurteilt, wann was für die Kommunikation bereit ist;
3. Ja zur unvoreingenommenen Diskussion über die AKZEPTANZ auf allen Ebenen des Sachplans basierend auf der Offenlegung sämtlicher Entscheidungsgrundlagen, sobald diese bereit sind.
André Lambert
Geschätzter Herr Jenny, Ihr jüngster Beitrag richtet sich zwar namentlich an mich, dem Inhalt nach bezieht er sich aber auf Hans Burgers Wortmeldung; ihm also gebührt die Ehre.
Ich gehe aber mit Ihnen einig, dass es eine sachdienliche Diskussion war/ist. Und in meiner Funktion als Mitverantwortlicher des nuclearwaste-Blogs danke ich Ihnen für die anregenden Gedanken!