Von Marcos Buser & Walter Wildi
Die Endlagerung hochtoxischer Abfälle aus unseren Industriegesellschaften wird in der Regel mit Lagern für radioaktive Abfälle im tiefen geologischen Untergrund gleichgesetzt. Nur selten wird der Blick auch auf die Endlager für chemo-toxische Sonderabfälle gerichtet. Dabei werden heute in Europa ein Grossteil der industriellen Sonderabfälle in solche Anlagen entsorgt. Die allermeisten dieser Endlager wurden in ausgedienten Salzbergwerken in Deutschland eingerichtet. Jene Bergwerke mit mehr oder weniger akuten Stabilitätsproblemen wurden als Versatzbergwerke umgerüstet, in denen die eingebrachten Abfallgemische zur Stützung des sich senkenden Gebirges „verwertet“ werden. Andere chemo-toxische Sonderabfälle gelangen in sogenannte Untertagedeponien (UTD). In diesen stabileren Gruben werden industrielle Problemabfälle in den ausgedienten Bergwerksrevieren in Gebinden deponiert. Der Unterschied zwischen Versatzbergwerken und Untertagedeponien ist gradueller Natur und dürfte in der Realität zunehmend verwischt werden.
Endlager für chemo-toxische gelangen gelegentlich in die Schlagzeilen, wenn irgendwelche Probleme bekannt werden. Etwa wenn sich „Gebirgsschläge“ genannte Teilzusammenbrüche eines Bergwerks ereignen, die z.B. spürbare Erdbeben auslösen. Oder wenn bekannt wird, dass Verpuffungen explosiver Gasgemische erfolgen und giftige Gase aus der rückgeführten Belüftung eines Abfall-Bergwerks (Bewetterung) austreten. Auch Wasserzutritte in solche Gruben geben gelegentlich Anlass zur medialen Berichterstattung. Alles in allem aber, erregt das Thema der Entsorgung des industriellen Giftmülls in ausgedienten Bergwerken nicht sonderlich die Gemüter. Sofern die Abfalllager weit genug von zu Hause sind, interessieren sich weder Gesellschaft noch die grosse Politik besonders um das Thema.
Dabei wäre eine vertiefte Betrachtung und Analyse dessen, was sich in dem guten Dutzend mehrheitlich in Deutschland liegenden Sonderabfallbergwerken abspielt auch für das Verständnis und die Akzeptanz von geologischen Endlagern für radioaktive Abfälle von höchster Bedeutung. Die folgenden Beiträge, die wir im Laufe der Zeit auf unserem Blog veröffentlichen werden, sollen darum einen umfassenderen Einblick in die wenig bekannte Welt der Entsorgung unserer gefährlichen Zivilisationsabfälle unter Tage geben. Beginnen werden wir unsere Serie mit der einzigen Anlage, die ausserhalb von Deutschland betrieben wurde, und die 2002 nach einem Brandfall dauerhaft geschlossen werden musste. Der zweite Beitrag wird sich den Bergwerke Kochendorf und Heilbronn zuwenden. Weitere Beiträge über Untertagedeponien und Versatzbergwerke in der BRD werden folgen. So hoffen wir, einen ersten gesamthaften Überblick über die Geschichte der Entsorgung von Sonderabfällen und radioaktiven Abfällen im geologischen Untergrund zu geben und Vergleiche über die Langzeitrisiken dieser Strategien zu geben. Unsere Zusammenstellungen sollen eine Grundlage für eine erweiterte Diskussion in Wissenschaft und Gesellschaft bieten über den Sinn der bisher verfolgten Strategien bzw. der Qualität der Umsetzung der Untertagelagerung. Ob dies allerdings reicht, die längst fälligen Lehren zu ziehen aus der bisherigen Praxis dieser Beseitigungs-Methoden dürfte fraglich bleiben. Denn das billige Abschieben der Entsorgung industrieller Abfälle in die Zukunft geniesst den Rückhalt der Märkte, der Wirtschaft und damit auch der Behörden, sowohl in der EU wie auch in den nationalen Administrationen. Es wird viel brauchen, entsprechende teurere Behandlungsmassnahmen zu entwickeln und durchzusetzen, um diesen ethisch unhaltbaren Export von Giftmüll in die Zukunft zu unterbinden.
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