Karte: https://www.ensi.ch/de/2016/12/14/das-ensi-schlagt-nordlich-lagern-zur-weiteren-untersuchung-vor/
Am 14. Dezember 2016 hat das ENSI in einer Medienmitteilung bekannt gegeben, dass es das Standortgebiet „Nördlich Lägern“ für die weitere Untersuchung in Etappe 3 zusätzlich „empfiehlt“ (https://www.ensi.ch/de/2016/12/14/das-ensi-schlagt-nordlich-lagern-zur-weiteren-untersuchung-vor/). Die Formulierung verwirrt: „empfiehlt“ das ENSI bloss, oder verfügt es diese Untersuchungen? Anders gesagt: hat es bei der Suche nach einem Standort im Verfahren des Sachplans geologische Tiefenlager die Kompetenz zu verfügen oder nicht, ist es Aufsichtsbehörde oder tritt es mit seiner „Empfehlung“ an die Stelle der Entsorger Organisation Nagra?
Ein Blick auf die Pflichtenhefte im Sachplankonzept vom 2. April 2008 verrät folgendes:
„Sachplan geologische Tiefenlager, Anhang V, Pflichtenhefte
4 Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK)“ – [HEUTE ENSI]
„Hauptfunktion: Prüft und beurteilt die sicherheitstechnischen Aspekte
4.1 Trägt die Gesamtverantwortung für die sicherheitstechnische Beurteilung der geologischen Standortgebiete und Standorte
4.2 Leitet das Technische Forum Sicherheit, koordiniert dessen Arbeiten und führt das Sekretariat
4.3 Beurteilt die Auswahl der geologischen Standortgebiete in Etappe 1 aus sicherheitstechnischer Sicht und erstellt ein Gutachten
4.4 Beurteilt die Auswahl der Standorte in Etappe 2 aus sicherheitstechnischer Sicht, überprüft die provisorischen Sicherheitsanalysen und erstellt ein Gutachten
4.5 Überprüft die Gesuche für erdwissenschaftliche Untersuchungen und erstellt dazu Gutachten
4.6 Beaufsichtigt und begleitet die erdwissenschaftlichen Untersuchungen und leitet die damit verbundenen Koordinationsgremien“ (Hervorhebung, durch die Autoren des Blogs) |
„4.7 Beurteilt das Rahmenbewilligungsgesuch aus sicherheitstechnischer Sicht und erstellt ein Gutachten
4.8 Prüft die von den Entsorgungspflichtigen nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe f Ziffer 1 KEG und Artikel 63 KEV vorgeschlagenen Eignungskriterien
4.9 Steht den Bundesbehörden, den kantonalen und kommunalen Behörden, dem Ausschuss der Kantone, den Standortregionen und der Bevölkerung mit Expertenwissen zur Verfügung
4.10 Unterstützt das BFE bei der Erstellung bzw. der Aktualisierung der Ergebnisberichte und der Objektblätter
4.11 Informiert, in Absprache mit dem BFE, die Medien und die Öffentlichkeit über die sicherheitstechnischen Aspekte und über die Arbeiten des Technischen Forums Sicherheit.“
In dieser Zusammenstellung kommt das Wort „Aufsicht“ nur indirekt vor. Punkt 4.6 erwähnt, dass das ENSI die erdwissenschaftlichen Untersuchungen „beaufsichtigt und begleitet“. Aber bedeutet dies auch, dass es der Nagra als Vertreterin der Entsorgungspflichtigen diktieren kann, wo es langgehen soll? Kann es der Nagra beziehungsweise deren Auftraggeber swissnuclear also vorschreiben, das Standortgebiet „Nördlich Lägern“ weiter zu untersuchen? Oder eben: Ist dies bloss eine Gratis-„Empfehlung“, ohne Verpflichtung?
Dies wirft eine Anzahl grundlegender Fragen auf:
- Gemäss „Sachplan geologische Tiefenlagerung“ hat die Nagra in Etappe 2 für jeden Abfalltyp zwei mögliche Lagerstandorte vorzuschlagen. Dies tat sie mit den Vorschlägen für „Jura Ost“ (Bözberg) und „Zürich Nordost“ (Zürcher Weinland). Kann das ENSI nun an der Stelle der Nagra einen dritten Standort in das Programm einbringen? Wer bezahlt diese Untersuchungen? Wer überwacht sie kompetent und ohne Voreingenommenheit?
- Im Hinblick auf Etappe 3: Hat das ENSI Verfügungsgewalt der Nagra beispielsweise Bohrungen „aufzubrummen“, welche den Permo-Karbon-Trog vollständig durchqueren? Oder das vorgesehene Untersuchungsprogramm in Etappe 3 zurückzuweisen?
Ist das ENSI also „bloss“ Experte der Bewilligungsbehörde und Aufsicht für gewisse Tätigkeiten, oder auch Substitut der Nagra mit Vorschlagsrecht im Entsorgungsprozess? Diese Fragen gehören geklärt.
Wir werden die heutigen Informationen inhaltlich weiter überprüfen und in unserem Blog behandeln. U.a. interessiert natürlich die Frage, warum und unter welchen Voraussetzungen (freiwillig? auf Druck?) das ENSI diesen „Vorschlag“ eingebracht hat.
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