Ein Kommentar mit Biss
Die Schweiz ist ein wunderbares Land: Der Verteidigungsminister fährt mit dem Velo (= Fahrrad) zur Arbeit, und dieses steht tagsüber unbewacht vor dem Verteidigungsministerium bis der Minister abends wieder zurück fährt. Unbewacht! Auch sonst steht (unseres Wissens) vor keinem Ministerium und vor keiner Amtsstelle eine Polizeiwache und die Ordnungshüter rücken auch nicht wegen Bagatellen aus . . . . ausser vor dem ENSI, der nuklearen Sicherheitsbehörde der Schweiz, wo die nukleare Sicherheit bedroht ist. Aber wie konnte es nur soweit kommen?
Die Geschichte beginnt mit einer Zügelaktion: Bis vor kurzem war die nukleare Sicherheitsbehörde nämlich in Villigen hinter der Eingangskontrolle, dem „Hühnergitter“ und den schwedischen Gardinen des Paul-Scherrer Instituts verschanzt. Kein Zugang für das Publikum und kein Ärger mit der öffentlichen Meinung. Doch dann expandierte das PSI und es kam zum Umzug nach Brugg, wo dieser Schutz vor dem Publikum fehlt: Ab März 2011 (Fukushima) erinnerte eine Mahnwache die Mitarbeiter des ENSI jeden Tag vor den Toren der Anstalt an ihre Verantwortung. Auch an ihre individuelle, persönliche Verantwortung.
Nach ein paar hundert Mahnwachen und angesichts der Aussichtslosigkeit auf ein Ende dieser friedfertig ausgetragenen aber störenden Ermahnungen wurde versucht, das Manifestieren für nukleare Sicherheit zu untersagen; denn Mahnwachen sind ja auch nur ein ordinäres Grundrecht und haben keine Auswirkungen auf Behördenmischeleien mit Kernkraftwerkbetreibern. Die Aktion zum Verbot der Mahnwache scheiterte zwar, aber die Bedingungen wurden von den bewilligenden Behörden der Stadt Brugg noch restriktiver definiert. Trotzdem blieb das Gewissen vor der Sicherheitsbehörde stehen.
Dann, am 25. Juni 2015, demonstrierten die „Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz“ in weisser Weste und einem Plakat mit einem Vogel-Strauss, Kopf im Sand, vor dem ENSI-Sitz mit dem Slogan „Kopf hoch ENSI!“ Die Berichte in den Zeitungen (z.B. Generalanzeiger) übertreffen sich in der Lächerlichkeit der Abwehr. Da schickte die Stadt Brugg (als Stadt gegründet durch Rudolf von Habsburg im Jahr 1284) in tapferer Weise sofort die für Ruhe und Ordnung zuständige Polizei vor! Und da stürmt ein Herr aus dem Gebäude und sucht die Ärzte zu vertreiben, in dem er fuchtelnd auf die Verbotstafel zeigt. Da hat der Direktor des Ensi keine Zeit, einen Brief der Ärzte entgegen zu nehmen und schickt seine überforderte Kommunikationsabteilung an die Front. Mit Kommunikation, also „teilen, mitteilen, teilnehmen lassen, gemeinsam machen oder vereinigen“, was auch immer diese Begriffe bedeuten, hat dieses Verhalten nichts zu tun. Und sucht man im Verhaltenskodex des Ensi nach einer Erklärung, so findet man Art. 6 der besagt: „Die Medienkontakte des ENSI-Rats liegen grundsätzlich in der Kompetenz des/der ENSI- Ratspräsidenten/in, diejenigen des ENSI in der Kompetenz des Direktors/der Direktorin oder der Kommunikationsstelle.“ Das wäre es zu den Grundregeln der Kommunikation seitens des ENSI gewesen.
Die Demo durch Ärzte für die Umwelt erwies sich als „besonders gefährlich“ für den Status quo und musste deshalb schleunigst untersagt werden! So standen denn halt die blau uniformierten Ordnungshüter hin und verboten die freie Meinungsäusserung.
Über dieses Vorgehen könnte man seitenweise Satirik schreiben. Denn, wenn Lächerlichkeit töten könnte, so wäre dies ein Massaker gewesen. Halten wir uns darum lieber kurz: Gute Gesundheit dem ENSI, Ärzte haben in Brugg nichts zu suchen, denn kranke Kernkraftwerke werden nicht geheilt, sondern gesund gebetet!
Lesen sie vor allem neue Nummer des Oekoskops
Ärzte für die Umwelt: Kopf hoch ENSI!
https://www.aefu.ch/oekoskop/
Links
Aargauerzeitung, Polizeieinsatz in Brugg: https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/aerzte-loesen-waehrend-demo-polizei-einsatz-vor-dem-ensi-aus-129280339
Generalanzeiger: https://www.effingerhof.ch/fileadmin/seiteninhalt/dateien/Verlag/Online-Ausgaben/ga/1/#4
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