
Unser Blog vom 14. Dezember 2016 war der Frage möglicher Materialfehler an den Dampferzeugern in den Druckwasserreaktoren von Beznau und Gösgen gewidmet. Hier möchten wir aufzeigen, wie die Sicherheitsbehörden in Frankreich mit dem Problem umgehen, und dies mit der Schweiz vergleichen. Und zwar in zwei Folgen.
Informationen der französischen und schweizerischen Sicherheitsbehörden
Die französische Sicherheitsbehörde „Autorité de Sûreté Nucléaire“ (ASN) hatte das Problem der Materialfehler als Erste erkannt. Seither geht sie wie folgt an das Problem heran (Internet-Beitrag vom 5.12.2016 [1]), Übersetzung des Auszugs und Fettschrift durch die Blog-Autoren):
„Auf Antrag des ASN, lancierte EDF im Jahr 2015 Analysen um die Ausrüstungskomponenten seiner in Betrieb stehenden Reaktoren zu identifizieren, die durch eine Anomalie der Kohlenstoffkonzentration im Stahl betroffen sein könnten. Diese Analysen haben ergeben, dass das Material bestimmter Dampferzeuger durch diesen Defekt betroffen sein kann. Dies kann zu einer Schwächung der mechanischen Eigenschaften des Stahls führen und die Sicherheit derjenigen Reaktoren in Frage stellen, bei welchen der Ausschluss eines Bruchs auf eben diesen Komponenten beruht.
Mit Briefen vom 7. und 15. November 2016 lieferte EDF der ASN eine allgemeine Dokumentation ab, in welcher dargestellt wird, wie die weitere Funktionstüchtigkeit der Dampferzeuger welche die 900 MWe-Reaktoren ausrüsten, begründet werden kann. ASN und IRSN (Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire) haben das Dossier überprüft und verifiziert, dass die zu Grunde gelegten Hypothesen und die verwendete Methode akzeptiert werden können. Die dem Dossier zu Grunde liegenden Hypothesen werden durch ein Versuchsprogramm zu bestätigen sein, welches an repräsentativen Bestandteilen (der Anlagen) durchzuführen ist.
Auf Grund dieser Untersuchungen formulierte die ASN Forderungen an EDF, betreffend zusätzlicher zu realisierender Kontrollen, neuer oder verstärkter Kompensationsmassnahmen (Blog-Autoren: bzgl. durch Materialfehler geschwächte Teile) beim Betrieb der Anlagen und ergänzender Versuche und andere Studien welche mittelfristig durchzuführen sind. Jede Anlage bedarf zum erneuten Anfahren eine Bewilligung auf der Basis eines spezifischen (Blog Autoren: sie betreffenden) Dossiers.“ Etc.
Mit Datum vom 5. Januar 2017 publizierte des ENSI (Eidgenösssische Nukleare Sicherheitsanstalt) auf seinem Internet Site eine Art Interview mit Georg Schwarz, stellvertretender ENSI-Direktor und Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke[2]. Dabei geht es um die Frage der Sicherheitsprüfungen in den Kernkraftwerken Gösgen und Beznau, bzw. ihrer drei Reaktoren, zur Frage der Stahlqualität der Dampferzeuger. Hier ein Auszug:
Frage: „Bei den jetzt vom ENSI angeordneten Überprüfungen der Dampferzeuger in Gösgen und Beznau werden wohl auch die Erkenntnisse aus den entsprechenden Untersuchungen in Frankreich berücksichtigt. Was ist der aktuelle Stand in Frankreich?“
Antwort: „In Frankreich sind die Untersuchungen weitgehend abgeschlossen und es hat sich gezeigt, dass auch die Dampferzeuger mit einem erhöhten Kohlestoffanteil robust genug sind und kein Risiko darstellen. Die Reaktoren die für die Untersuchungen vom Netz genommen wurden, sind inzwischen entweder wieder am Netz oder werden im Laufe des Januars 2017 wieder Strom liefern.. . .“
Frage: „In Frankreich mussten die Werke für die Untersuchungen vom Netz. Warum Gösgen und Beznau nicht?“
Antwort: „Auch in Frankreich wurden die Kernkraftwerke nicht sofort abgestellt. In der Schweiz sehen wir aus sicherheitstechnischer Sicht keinen Anlass, die beiden betroffenen Anlagen kurzfristig vom Netz zu nehmen. Die Überprüfungen am Dampferzeuger können während einem ordentlichen Revisionsstillstand durchgeführt werden.“
Frage: „Können Sie das näher erläutern?“
Antwort: „Erste Überprüfungen im vergangenen Sommer hatten in Frankreich ergeben, dass Dampferzeuger in 18 der 58 französischen Reaktoren genauer untersucht werden mussten. Für 6 Reaktoren konnten diese Untersuchungen relativ schnell abgeschlossen werden, sodass im Herbst 2016 noch 12 Reaktoren übrig blieben. Die ASN gab dem Betreiber der französischen Kernkraftwerke EDF eine Frist von drei Monaten, um die geforderten Messungen und Berechnungen an den Dampferzeugern in den übrig gebliebenen Reaktoren durchzuführen. Um diese Arbeiten ausführen zu können, muss ein Reaktor stillstehen. Sieben der betroffenen Reaktoren, die bereits im ordentlichen Revisionsstillstand waren, haben deshalb entschieden, das Wiederanfahren zu verschieben, fünf Reaktoren wurden zunächst weiterbetrieben. Drei davon sind im Laufe des Jahres 2016 vom Netz gegangen, um die geforderten Messungen durchzuführen. Die letzten zwei werden das im Januar 2017 tun.“
Frage: „Angesichts der Entwicklung in Frankreich: Warum müssen Beznau und Gösgen die Untersuchungen überhaupt noch ausführen?“
Antwort: „Der Dampferzeuger ist eine wichtige Komponente des Primärkreislaufs. Es ist aus sicherheitstechnischer Sicht angebracht, zu überprüfen wie sich die Situation in den Schweizer Reaktoren darstellt und inwiefern die Resultate in Frankreich mit entsprechenden Untersuchungen an den Dampferzeugern in den Schweizer Anlagen übereinstimmen.“
Frage: „Was müssen die Kernkraftwerke Gösgen und Beznau konkret prüfen?“
Antwort: „In einem ersten Schritt müssen wie gesagt die Herstellungsunterlagen geprüft werden. Daraus ergeben sich Angaben bezüglich der betroffenen Bauteile, Hersteller, Herstellungszeitraum, Material, angewendete Bauvorschrift und Regelwerke, Abweichungen während der Herstellung, Angaben zum Schmiedeverfahren, durchgeführte Abnahmeprüfungen und Prüfanforderungen. Gestützt auf diese Unterlagen ist in einem zweiten Schritt ist ein Konzept für die weitere Sicherheitsbewertung abzuleiten.“
Frage: „Welches Resultat erwarten Sie vom ersten Schritt, der Prüfung der Unterlagen?
Antwort: „Ziel der vertieften Überprüfung der Herstellungsunterlagen ist es, rasch einen ersten Überblick über die Herstellung der Dampferzeuger zu erhalten. Daraus lassen sich erste Erkenntnisse gewinnen und weitere Überprüfungen ableiten.“
Frage: „Wann wird der zweite Schritt der zerstörungsfreien Prüfungen durchgeführt werden?“
Antwort: „Das hängt von den Konzepten ab. Allfällige Überprüfungen an den Dampferzeugern selbst werden in den regulären Revisionsstillständen der Kraftwerke durchgeführt.“
Ein Vergleich
Auch wenn das ENSI auf den ersten Blick recht ähnlich mit der Frage umzugehen scheint wie die französische ASN, so fallen bei genauerem Hinschauen ENSI-typische Unterschiede auf:
- In Frankreich wurde das Problem bereits 2015 erkannt, in der Schweiz offenbar erst im Sommer oder Herbst 2016 wirklich zur Kenntnis genommen.
- In Frankreich wurden die meisten Voruntersuchungen zur Frage der Materialfehler gleich im Anschluss an die Revisionsstillstände 2016 durchgeführt. Die für die Werke verordneten Stillstände wurden dazu verlängert.
- Werke, in welchen die Untersuchungen nicht sofort durchgeführt werden konnten, erhielten in Frankreich eine Frist von 3 Monaten um dies nachzuholen. In der Schweiz wurde die Frist für die Papierarbeit auf April 2017 festgelegt. Probenmaterial könnte also frühestens beim Stillstand im Sommer 2017 genommen werden. Selbst im heute still stehenden Werk Beznau 1? Eile mit Weile?
- Im Gegensatz zu den Aussagen von G. Schwarz kann man in Frankreich nicht sagen „es hat sich gezeigt, dass auch die Dampferzeuger mit einem erhöhten Kohlestoffanteil robust genug sind und kein Risiko darstellen“, formulierte die ASN doch „Forderungen an EDF, betreffend zusätzlicher zu realisierender Kontrollen, neuer oder verstärkter Kompensationsmassnahmen (Blog-Autoren: bzgl. durch Materialfehler geschwächte Teile) beim Betrieb der Anlagen und ergänzender Versuche und andere Studien welche mittelfristig durchzuführen sind.“ Es wird interessant sein zu beobachten, ob die Situation in gewissen Werken in Frankreich zu Einschränkungen der Reaktorleistung führen wird.
Interessant ist aber auch, die Sicherheitsphilosophie der beiden Länder zu vergleichen im Umgang mit den Anomalien, die in den letzten Jahren sichtbar wurden. Diesem Thema werden wir uns nächste Woche widmen.
[1] https://www.asn.fr/Informer/Actualites/Situation-des-generateurs-de-vapeur-dont-l-acier-presente-une-concentration-elevee-en-carbone.
[2] https://www.ensi.ch/de/2017/01/05/die-uberprufung-der-dampferzeuger-der-kernkraftwerke-gosgen-und-beznau-bedingt-keine-vorlaufige-ausserbetriebnahme/
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