Marie Skłodowska-Curie wurde am 7. November 1867 in Warschau geboren. Sie verschied am 4. Juli 1934 im Sanatorium von Sancellemoz bei Passy an Krebs.
Es gilt als gesichert, dass die radioaktive Strahlung, der sie im Rahmen ihrer Experimente im Forschungslabor ausgesetzt war, die tödliche Krankheit ausgelöst hatte. Obschon bei Wissenschaftlern, aber auch allgemein in der Gesellschaft die Gefährlichkeit von direkten radioaktiven Strahlen relativ rasch als Gefahr wahrgenommen worden war, wurde ihre Wirkung lange Zeit unterschätzt. Zwar erschien 1913 der Roman des deutschen Schriftstellers Ernst Weiss, in dem das Leben und qualvolle Sterben eines Physikers erzählt wird, der jahrelang mit radioaktiven Quellen experimentiert hatte. Aber die Gefahr der Radioaktivität wurde noch während zwei weiteren Jahrzehnten durch die Gesellschaft unterschätzt. Vor allem ab den 1920er Jahren wurden vor allem Radium und Radon als Heil- und Welnessmittel gepriesen, das erste in der Kosmetik und teils schon in der Medizin, das zweite im Rahmen von Badkuren. Der Tod des amerikanischen Geschäftsmanns und Golfers Eben Byers führte anfangs der 1930er Jahre endlich zu einer breiteren Wahrnehmung der Gefahren radioaktiver Präparate. Byers hatte über Jahre das radiumhaltige Medikament Radithor in grossen Mengen eingenommen. Mit dem Tod von Marie Curie, 2 Jahre nach Byers Tod, begann sich die Gefahr radioaktiver Strahlung endgültig ins Bewusstsein der Gesellschaft einzubrennen.
Dennoch sollten weitere Jahrzehnte vergehen, bis die Dimension des Strahlenproblems sichtbar wurde. Zwar hatten bereits die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki die Wucht der neuen Waffe und die fürchterliche Wirkung radioaktiver Strahlen in aller Deutlichkeit offenbart. Aber es brauchte fast 20 Jahre und aberhunderte von oberirdischen Atomwaffentests bis die verfeindeten Blöcke in West und Ost bereit waren, diese Verbreitung von Radioaktivität an der Oberfläche einzustellen. Im August 1963 wurde der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen zur Unterzeichnung freigegeben.
Im selben Jahr trat die Schweizerischen Strahlenschutzverordnung SSVO in Kraft. Und man fragt sich rückblickend, welche Naivität es wohl brauchte, solch karikaturale Vorschriften nach weltweit hunderten von oberirdischen Atombombentests zu erlassen:
«Wer radioaktive Abfälle an das Abwasser abgibt, hat mit einer reichlichen Wassermenge nachzuspülen.»
Ab in den Untergrund, könnte man sagen. Und dies schien denn auch das Verständnis der Organisationen zu sein, die massgebend an der Suche nach „Lösungen“ beteiligt waren. Spülen und verdünnen, um es plakativ zu sagen. In den späten 1940er Jahren erwogen Wissenschaftlern ernsthaft, das gesamte radioaktive Inventar in den Weltmeeren zu verdünnen (Western, Forrest 1948). Ähnliche Vorschläge wurden noch weit in den 1950er Jahren an internationalen Konferenzen der IAEA vorgetragen.
Woran dabei – bewusst oder unbewusst – nicht gedacht wurde oder werden wollte, das ist an die Bioakkumulation: Organismen die Wasser filtrieren (z.B. Plankton in Flüssen, Seen und Meeren) reichern Metalle und andere Schadstoffe in ihrem Körper an. Dienen diese sodann z.B. Fischen als Nahrung, und werden diese wiederum durch Menschen konsumiert, so können wir zu erheblichen Dosen radioaktiver Strahlung gelangen. Und so sollte der Umgang mit radioaktiven Stoffen weitergehen. Die verantwortlichen Staaten und Institutionen hatten in erster Linie die Kosten im Auge, alles andere interessierte kaum. In diesem Sinne ist die Geschichte des Umgangs mit radioaktiven Abfällen eine Geschichte von Unterlassungen, Irrungen und Unvernunft. Eine Skandalgeschichte ohne Ende. Bis zum heutigen Tage.
Im gleichen Sinne wie die oben erwähnte Wasserspülung der SSVO, und in der gleich absurden Hoffnung auf Verdünnung der radioaktiven Stoffe, nahm die Schweiz ab 1969 an Meeresversenkungsaktionen von radioaktiven Abfällen teil. Derartige Aktionen gab es in den USA bereits seit 1946. Sie betrafen vorerst auch flüssige Abfälle, hochaktive wie auch andere, in Stahlkanister oder 200 l – Stahlfässern abgepackt. Sodann wurden die Abfälle mit Bitumen oder Zement verfestigt und im Meer „entsorgt“.
In Europa fand diese „Entsorgung“ Nachahmer. Die schweizerischen Abfälle wurden – vor allem mit englischen aber auch anderen Abfällen europäischer Länder – unter der „Aufsicht“ der NEA (Nukleare Energie Agentur der OECD) im Nordatlantik versenkt.
Weltweit gab es mehrere Dutzend solcher Standorte. Entsprechend den Empfehlungen der IAEA hatte die Verpackung den Zweck, die Abfälle während des Absinkens im Meer und dem Aufschlag auf den Grund zu schützen. Sodann akzeptierte man die Dispersion der radioaktiven Stoffe in der Umgebung. Bilder, welche Greenpeace mittels ferngesteuerter Unterwasserkamera ab dem Jahr 2000 schoss, zeigten zerplatzte und korrodierte Fässer am Meeresgrund. Eduard Kiener, ehemaliger Direktor des BFE bemerkte in einem Rundschau-Beitrag am 12. Juni 2013 zu diesen Bildern, der „Staat hat seine Gesetze zu vollziehen“, die Versenkungsaktionen seien also legal erfolgt. Das Platzen und die Korrosion der Fässer, die Dispersion der radioaktiven Substanzen und der Transfer dieser Stoffe in die Nahrungskette wären nach dieser Leseart also „legal“!
Auf Grund von grossem internationalem Druck, wurden die Dumpingaktionen im Jahr 1982 gestoppt und in der Londoner Konvention von 1993 verboten. Die Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung (AGNEB) stellte 1983 fest, dass der Schweiz nach der Bannung des Dumpings keine alternative Lösung zur Verfügung stand. Für radioaktive Abfälle aller Kategorien blieb als provisorische Lösung der Bau und Betrieb von Zwischenlagern.
Weltweit fanden vor allem in den späten 1950er bis 1980er Jahren Diskussionen um Entsorgungskonzepte, v.a. für hoch radioaktive Abfälle statt. Auch wenn diese heute oft exotisch und fantastisch erscheinen, so sollen einige davon in Erinnerung gerufen werden:
- Weltall: Entsendung der radioaktiven Abfälle mit Raketentransportern ins Weltall. -> Lösung ist viel zu unsicher (Raketenabstürze wie bei „Challenger“ und „Columbia“) und zu teuer.
- Tiefseeböden: Versenkung von Abfallkanistern in den weichen Sedimenten der Ozeanböden. -> Entdeckung von Erosionserscheinungen durch Meeresströmungen. Versenkte Abfälle könnten auf diese Weise wieder an die Oberfläche des Ozeanbodens gelangen. Konflikt mit Untermeerbergbau (z.B. Gewinnung von Manganknollen).
- Subduktionszonen (Verschluckungszonen): In diesen Zonen würden die Abfälle tektonisch unter einen Kontinent verschluckt werden. -> Risiko des Aufsteigens oder des vulkanischen Auswurfes.
- Polare Eiskappen: Versenkung der Abfallzylinder im Zentrum der Eiskalotte der Antarktis. -> Heisse Abfallkanister schmelzen durch die Eiskalotte hindurch und können schlussendlich in die Ozeane ausgeschwemmt werden. Und dann das Problem Klimawechsel!
- Umwandlung (Transmutation) der Abfälle in Substanzen kürzerer radioaktiver Periode. -> Die Methode existiert heute nur in Forschungsprojekten; hohe Kosten, hoher Energiebedarf, zeitintensive Umwandlungsprozesse .
- Hüten der Abfälle („Hütekonzept“): Die Abfälle werden über die kommenden Jahrtausende in Oberflächenanlagen überwacht. -> Kurzlebigkeit menschlicher Bauten, Kurzlebigkeit der Gesellschaftsordnung, Naturrisiken (Erdbeben, Überschwemmungen, etc.).
In der Fachwelt wurde seit den 1950er Jahren der Einschluss der radioaktiven Abfälle (engl. Containment), an Stelle der Verdünnung gefordert. Später ging eine Gruppe von Fachleuten unter der Administration Carter dieser Forderung nach. In ihrem Bericht schaffte die Gruppe die Basis für die sogenannte Endlagerung in geologischen Tiefenlagern der kontinentalen Erdkruste nach dem Multibarrieren Konzept („Earth science technical plan for mined geological disposal of radioactive waste, ESTP“, DOE et al. 1979). Dieses Konzept war der erste Versuch zu einem systematisch aufgebauten Forschungs- und Entwicklungsprogramm auf der Grundlage des Barrierenkonzeptes. Ein Barrieren-Konzept, das sicherstellen sollte, dass die radioaktiven Abfälle durch mehrere übereinander liegende Schutzhüllen (Prinzip der russischen Puppen) am Austritt in die Umwelt und so am Transport in die Biosphäre und in den menschlichen Lebensräumen gehindert werden. Die Abbildung unten stellt dieses Multibarrieren Konzept schematisch dar. Die Schutzbarrieren sind dabei folgende (vom Abfall zur geologischen Umwelt):
Technische Barrieren:
- Stabile Abfallform (z.B. verglaster Abfall, oder radioaktive Substanzen in Oxidform, mit geringer Löslichkeit). -> Nur schwache Löslichkeit der Abfälle bei Wasserzutritt.
- Kanister (Stahl, Kupfer, Keramik). -> Mechanischer Schutz des Abfalls.
- Verfüllung des Stollens im geologischen Tiefenlager (Ton, Bentonit). -> Stabilisierung des Stollens und Reduktion des Wasser- und ev. Gasflusses.
Geologische (natürliche) Barrieren:
- -> Gestein mit starker Barrierenwirkung zur Reduktion von Wasserfluss, Gasfluss und zur Rückhaltung (Adsorption) radioaktiver Stoffe.
- Stabile geologische Umgebung -> Schutz des geologischen Tiefenlagers.
Dieses Barrierensystem wurde durch die EKRA (Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle) im Jahr 2000 für die Schweiz ergänzt durch die Abfall-Management Massnahmen, zu welchen u.a. die Überwachung des Lagers und die eventuelle Rückholung der Abfälle zählen.
Das Multibarrieren Konzept dient heute weltweit als Planungsgrundlage für die Lagerung radioaktiver Abfälle, wobei die Wahl und Auslegung der Barrieren entscheidend für die Qualität des Programmes sein kann (Buser & Wildi 1981). Dabei ist allerdings zu erwähnen, dass bis jetzt noch kein definitives Abfalllager nach diesem Konzept erstellt werden konnte und es stellt sich die Frage, ob dies am Konzept oder eventuell an der Schwierigkeit der Umsetzung, oder gar an den Abfällen liegt. Bis zur Realisierung solcher Lager müssen die Abfälle zwischengelagert werden, und zwar über mehrere Generationen, was dem Prinzip nachhaltigen Wirtschaftens grundlegend widerspricht.
Referenzen
Buser, M. & Wildi, W. 1981: Wege aus der Entsorgungsfalle. – Schweiz. Energiestiftung (Zürich), Report n° 12, 257p.
DOE & USGS 1979: Earth science technical plan for mined geologicaldisposal of radioactive waste, ESTP“, Department of Energy and U.S. Geological Survey, TID-29018 (Draft).
EKRA, Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle 2000: Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle: Schlussbericht. Bern: Bundesamt für Energie.
Glückauf, E. 1955: Le problème à longue échéance de l’élimination des déchets radioactifs, Actes de la conférence internationale sur l’utilisation de l’énergie atomique à des fins pacifiques, tenue à Genève du 8 au 20 août 1955, volume IX, IAEA, 1956
Milnes, A.G., Buser, M. & Wildi, W. 1980: Endlagerungskonzepte für radioaktive Abfälle im Ueberblick. – Z. dtsch. geol. Ges. 131, 359-385.
Western, F. 1948: Problems of radioactive disposal, Nucleonics, August 1948, S. 49.
Wildi, W., 2013, Stockage des déchets nucléaires: Aqua and Gas, v. 2013, no. 4, p. 76-81.
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