Wasserkraft in der Energiedebatte
„Die Wasserkraft ist die wichtigste einheimische Energiequelle der Schweiz. Deren Nutzung mittels Lauf- und Speicherkraftwerken deckt rund 56% des Schweizerischen Strombedarfs und trägt mit aktuell rund 97% fast den gesamten Anteil erneuerbarer Stromproduktion“ (https://www.swv.ch/Fachinformationen/Wasserkraft-Schweiz). Dies ist auch die allgemeine Ansicht unserer Bundesbehörden und floss so in die „Energiestrategie 2050“ des Bundesamtes für Energie ein (https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/energie/energiestrategie-2050.html). Und die Öffentlichkeit nimmt es sicher in derselben Weise wahr.
Einschränkungen der Nutzung der Wasserkraft
Ob die erste, oder längerfristig „nur“ die zweite oder dritte einheimische Energiequelle, dies wird weitgehend von der weiteren Entwicklung der Nutzung von Sonnenenergie und Geothermie abhängen. Aber nicht nur, denn die langfristige Nutzung der Wasserkraft hängt von weiteren Bedingungen ab. Hier eine kleine Auswahl:
- Wirtschaftlichkeit: siehe die Diskussion um die Zukunft von ALPIQ, AXPO und andern Elektrizitätsgesellschaften. Abgesehen von Taxen, Betriebs- und Unterhaltskosten, fallen bei Wasserkraftwerken auch regelmässig Investitionen für Erneuerungen (für Staumauern und andere feste Bauten etwa alle 80 Jahre, Abbildung 1) und Modernisierungen an. Falls wir weiterhin einheimische Hydroelektrizität brauchen wollen, so hat dies also seinen Preis.
- Klimawechsel: Die heutigen Klimawechsel weist auf eine Verringerung des Schneemantels, des zur Schmelze zur Verfügung stehenden Gletschereises und allgemein der Niederschläge hin (occc.ch/reports/IPCC-CH02/IPCC-CH02D.pdf). Wasser wird in Zukunft vermutlich auch vermehrt für die Bewässerung verwendet werden. Bei Klimaerwärmung wird ausserdem die natürliche Evaporation (Verdampfung) ansteigen. Die Nutzungsmöglichkeiten der Wasserkraftwerke werden dadurch langfristig eingeschränkt.
- Verlandung der Stauseen: Stauseen sind Sedimentfallen. In den Alpen wird eine Menge von Sedimenten, v.a. Sand und Silt, an der Basis der Gletscher, durch sogenannte Abrasion (Abschleifen des Felsens durch die Gleitbewegung der Gletscher) produziert. In tieferen topographischen Lagen und bis ins Mittelland, entstehen Sedimente bei Starkregen und Schneeschmelze durch die Erosion (den Abtrag) der Böden und der Flussböschungen. Diese Sedimente werden durch die Flüsse transportiert und in den Staubecken der Wasserkraftwerke abgelagert.
Etliche Stauräume der Laufkraftwerke im Mittelland sind heute, oder werden im Verlauf der kommenden Jahrzehnte, praktisch mit Sedimenten gefüllt sein (Abbildung 2). Typische Beispiele sind der Stausee von Mühleberg (Aare bei Bern), der Stausees von Klingnau (Aare, kurz vor dem Zusammenfluss mit dem Rhein) und der Stausee von Wettingen (Limmat, Zürich und Aargau).
Die Stauhaltungen der Laufwerke dienen der Schaffung einer Stauhöhe für das Turbinieren des Wassers. Sie erlauben auch eine gewisse Regulierung des Abflusses, etwa zur Verminderung von Überschwemmungen bei Hochwasser. Ihre Funktion als Wasserreservoir ist von untergeordneter Bedeutung. Gewisse Stauhaltungen (z.B. der Stausee von Verbois, Rhône unterhalb Genf), werden durch Absenkung des Wasserspiegels (öffnen der Schleusen) periodisch „gespült“ (Abbildungen 2 und 3). Dabei wird allerdings nur ein beschränkter Teil der angesammelten Sedimente aus dem Staubecken entfernt und über die weiteren Staustufen der Rhone ins Mittelmeer gespült.
Sedimente in Stauhaltungen entlang von Flüssen (v.a. Aare, Rhein, Limmat) sind unterhalb der Städte oft stark mit Schadstoffen belastet: Schwermetalle, chlorierte und andere toxische Kohlenwasserstoffe (PCB, PAK, u.a.m.), phyto-sanitäre Produkte, etc. Diese Sedimente können nicht ausgespült werden. Bei Baggerungen handelt es sich teilweise um Sonderabfall, in jedem Fall aber um nicht wieder verwertbares Material. Dieses kann nicht als normales Aushubmaterial gelagert werden, sondern muss nach der neuen Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA vom 1. Januar 2016) in Deponien entsorgt werden. Bei einer eventuellen Aufgabe der Stauhaltungen stehen heute keine allgemein anerkannten Lösungen für diese Sedimente zur Verfügung. Weder die Betreiber, noch die Behörden und die Öffentlichkeit sind sich der Problematik und der eventuell anstehenden Kosten im Falle eines Rückbaues voll bewusst.
Auch Stauseen von Speicherkraftwerke in den Alpen sind Sedimentfallen (Abbildung 4). Allerdings sind die Sedimentationsraten, also die Mächtigkeit der am Grund der Staubecken abgelagerten Sedimente im Vergleich zu den grossen Stauhöhen relativ klein. Für grosse Stauseen wie etwa die Grande Dixence oder Mauvoisin wird die Auffüllung des Stauvolumens hunderte von Jahren dauern. Allerdings ist das Problem auch hier ernst zu nehmen:
- Durch die Auffüllung der tiefsten Teile der Staubecken kann die Wasserentnahmestelle versanden, sodass sie regelmässig höher gelegt werden muss.
- Die Sedimente in alpinen Stauseen sind v.a. lockere Sandmassen, die sich hinter den Staumauern ansammeln und aufgrund ihrer Dichte einen bedeutend grösseren Druck auf die Staumauer oder den Damm ausüben, als Wasser (Gewicht pro Volumeneinheit: mehr als 2000 kg/m3, gegenüber 1000 kg/m3 für Wasser). Dies kann sich namentlich bei Erdbeben negativ auf die Stabilität des Stauwerkes auswirken.
In Speicherstauseen ist die Spülung der Sedimente oft nur beschränkt zugelassen, da hierbei im Unterlauf der Flüsse grosse ökologische Schäden entstehen können. Ausserdem wird bei Spülungen ohnehin nur ein beschränkter Teil der Sedimente ausgetragen. Der Rest bleibt im Becken sitzen.
Für Speicherkraftwerke werden umfassende Massnahmen ergriffen, um den Sedimenteintrag zu beschränken. Hierzu gehören namentlich Entsander. Dies sind kleinere Auffangbecken an den Zuflüssen zu den Staubecken, in welchen sich ein Grossteil des Sandes absetzt (Abbildung 5). Dieser lockere Sand wird regelmässig, oft mehrmals pro Tag, in den natürlichen Fluss unterhalb des Entsanders abgegeben, ohne über die Stollen in den Stausee gelangen zu können.
Endlich ist zu erwähnen, dass sich das Problem der Verlandung bei Pumpspeicherwerken à priori nicht (oder in viel geringerem Masse) stellt, da hier dasselbe, fast Sediment freie Wasser turbiniert und wieder hoch gepumpt werden kann.
Fazit
Im Vergleich zu Atomkraftwerken können Wasserkraftwerke sicher zu Recht als nachhaltig bezeichnet werden. Aber auch für diese grossen „Stromfabriken“ sind ständige Anstrengungen notwendig, um sie auf „Vordermann“ zu halten. Namentlich die Frage der Verlandung stellt sich für die meisten Lauf- und Speicherkraftwerke; definitive Lösungen stehen meist noch aus.
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