Bild: Walchetor in Zürich, ein Symbol der kantonalen Souveränität
Vorspann
Im letzten Blog-Beitrag stellten wir kurz die wissenschaftlich-technischen Aspekte der Stellungnahme der «Arbeitsgruppe Sicherheit Kantone/Kantonale Expertengruppe Sicherheit (AG SiKa/KES)» zur Etappe 2 des Sachplans vor.
Internet-Seite des Hauptberichtes des Ausschusses der Kantone (AdK):
Internet-Seite des Berichtes der Arbeitsgruppe Sicherheit Kantone/Kantonale Expertengruppe Sicherheit (AG SiKa/KES) :
Hier analysieren und kommentieren wir den Inhalt des Fachberichtes aus der Sicht der Blog-Autoren. Heraushebungen in zitierten Textpassagen, sowie Darstellung durch die Blogautoren. Abkürzungsverzeichnis am Ende dieses Beitrags.
Der Bericht AG SiKa / KES: Analyse
- Zu ihrem Auftrag und dessen Umsetzung schreibt die AG SiKa/KES :
« Im Auftrag des AdK befasst sich die AG SiKa/KES mit sicherheitstechnischen Fragen und erarbeitet Grundlagen für dessen Stellungnahme zu Etappe 2. Sie nimmt eine Beurteilung des Vorschlags der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) zur Einengung der Standortgebiete für weitere Untersuchungen in Etappe 3 vor. Weiter beurteilt werden die Nachforderung des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) vom September/November 2015, die dazu gelieferte Zusatzdokumentation der Nagra, das Gutachten des ENSI, die Stellungnahme der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung (EGT) und zahlreiche im Auftrag des ENSI erstellte Expertenberichte, die Stellungnahmen der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) sowie der deutschen Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager (ESchT). »
- Kommentar :
Die AG Sika / KES nimmt also Stellung zu Berichten von Nagra, ENSI, EGT und anderen Experten, EschT und KNS. In Anbetracht dessen, dass es sich somit um die letzte aller offiziell vorgesehenen Stellungnahmen zu wissenschaftlich-technischen Aspekten der Etappe 2 im Sachplanverfahren handelt (unser Blog folgt nachher, hat aber bekanntlich keinen offiziellen Charakter . . .), handelt es sich um eine Oberexpertise. Sie nimmt Stellung zu andern Expertisen und stellt sich damit hierarchisch über diese.
Dies stellt natürlich die Frage : Wer führt und entscheidet im Sachplanverfahren ? Stehen denn hier de facto die Kantone über den Bundesbehörden ? Und : Was ist nun schlussendlich die Position der Kantone zu «ihrer» Entsorgungsorganisation Nagra ?
- AG Sika / KES :
« Nach den Vorgaben des Bundes (BFE 2008, ENSI 2013) stützt die Nagra ihre Bewertung der Standortgebiete in Etappe 2 auf zwei Säulen ab: die provisorischen Sicherheitsanalysen (Dosisberechnungen) und die qualitative Bewertung von im Sachplan festgelegten Kriterien.
Auch für die AG SiKa/KES ist die qualitative Bewertung einer umfassenden Beurteilung der Standorte ausschlaggebend. Mittels Dosisberechnungen kommt die Nagra zum Schluss, dass alle Standortgebiete sicherheitstechnisch geeignet und gleichwertig seien – dem kann nicht gefolgt werden. Zur Feststellung der Sicherheit eines Standortgebiets bedarf es eines vollständigen Sicherheitsnachweises. Die provisorischen Sicherheitsanalysen erlauben lediglich die Aussage, dass für alle Wirtgesteine und Standortgebiete keine Erkenntnisse gewonnen wurden, die gegen eine generelle sicherheitstechnische Eignung sprechen, das heisst, dass diese auf Basis der Dosisberechnungen im Auswahlprozess verbleiben können. Nicht in seinem Gutachten selber, aber nach einem Fachgespräch relativierte das ENSI gegenüber der AG SiKa/KES nachträglich den Stellenwert der mit Dosisberechnungen festzustellenden «sicherheitstechnischen Eignung» und der «sicherheitstechnischen Gleichwertigkeit» eines Standorts in Etappe 2. Es hat in Aussicht gestellt, die Kritik in seinen Vorgaben zu Etappe 3 zu berücksichtigen (ENSI 2017b). »
- Kommentar :
Mit dieser Feststellung stellt die AG Sika / KES die Kirche wieder mitten ins Dorf : Zur Feststellung der Sicherheit eines Standortes bedarf es eines vollständigen Sicherheitsnachweises. Denn der Ausschluss von ungeeigneten Standorten ist kein Sicherheitsnachweis für die im Verfahren verbleibenden Standorte. Dies ist an und für sich jedermann klar, der sich mit dieser Frage beschafft. Eine unlöbliche Ausnahme : das ENSI, welches erst in der direkten Fachdiskussion mit der AG Sika / KES einlenkte.
Vom Vorgehen her gesehen ist das Standortauswahl-Konzept im Sachplanverfahren grundlegend falsch aufgegleist: zum einen berücksichtigt die Nagra qualitative Standortwahlkriterien für die Einengung und Wahl der Standorte, wobei sie sich – sekundiert vom ENSI – standfest dagegen wehrt, endlich klare Ausschlusskriterien für die Wahl der Standorte festzulegen. Zum anderen rechnet die Nagra – ebenfalls unter Duldung der Sicherheitsbehörden und anderer Beteiligter – im Rahmen provisorischer Sicherheitsanalysen die Standorte mit Dosisberechnungen eines diskutierbaren Sicherheitsnachweises gesund. Dieses Vorgehen ist methodisch gesehen unhaltbar. Die AG Sika/KES stellt dies bisher als einziger offiziell zur Vernehmlassung berechtigter Handlungsträger in einer an Deutlichkeit kaum zu überbietenden Beurteilung klar: „Dem kann nicht gefolgt werden.“ Seit Jahr und Tag wird an eine Interessensmauer geredet, damit die Auswahlprozedur endlich berichtigt wird und die Arbeiten in einer logischen Ordnung ausgeführt werden. In erster Linie die ergänzenden geologischen Arbeiten, die auch auf die diversen Schwachstellen der Standorte zielen müssen. Erst nach der endgültigen Auswertung der erdwissenschaftlichen Befunde ist ein umfassender Sicherheitsnachweis auszuführen.
Eine wichtige Evidenz steht allerdings noch nicht im Bericht der AG Sika/KES : Ein Sicherheitsnachweis muss auch den Beweis der Plausibilität eines Standortes erbringen. Gesund rechnen genügt nicht !
- AG Sika / KES :
« Aufgrund umfangreicher eigener Betrachtungen in den Bereichen Seismik/Tektonik, Geomechanik und Erosion ergibt sich für die AG SiKa/KES das folgende Gesamtbild:
– Die Zurückstellung der möglichen Wirtgesteine «Brauner Dogger», Effinger Schichten und Helvetische Mergel ist gerechtfertigt. Geologische Überlegungen führen dazu, dass diese Gesteine aus sicherheitstechnischen Gründen nicht als Wirtgesteine weiterverfolgt werden sollten. Somit verbleibt einzig der Opalinuston als mögliches geeignetes Wirtgestein für geologische Tiefenlager.
– Die Zurückstellung der drei Standortgebiete für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (SMA) ist gerechtfertigt: Wellenberg (WLB) wegen der schlechten Explorierbarkeit, Südranden (SR) wegen Erosionsgefährdung und Jura-Südfuss (JS), weil begründete Vorbehalte zur Mächtigkeit des Wirtgesteins bestehen und die wichtigen Rahmengesteine zum Teil fehlen. Diese drei Standortgebiete weisen derart markante sicherheitstechnische Schwächen auf, dass sie für ein geologisches Tiefenlager nicht weiterverfolgt werden sollten.
– Der Weiterzug der beiden Standortgebiete Zürich Nordost (ZNO) und Jura Ost (JO) in die Etappe 3 ist nachvollziehbar. »
- Kommentar :
Zu obigen Fragen herrscht offensichtlich Einigkeit zwischen allen Akteuren. Für die SMA-Lager kommt allerdings ein gasdichtes Gestein nur dann als Wirtgestein in Frage, wenn die Abfälle dementsprechend konditioniert sind. Anders gesagt, sind organische Stoffe aus solchen Abfällen thermisch zu entfernen.
- AG Sika / KES :
« – Die Zurückstellung von Nördlich Lägern (NL) ist nicht gerechtfertigt. Das Argument der Nagra eines zu geringen Platzangebots wegen Einschränkungen durch Tiefenlage und Tektonik hält einer näheren Überprüfung nicht stand bzw. ist aufgrund der heutigen Kenntnislage zu wenig stichhaltig. Die Beschränkung der maximalen Tiefenlage auf 700 m für Lagerstollen für hochradioaktive Abfälle und abgebrannte Brennelemente (HAA) erfolgte aufgrund unhaltbarer Prämissen und inkohärenter Argumentation. Das Fehlen eines ausgereiften bauingenieurmässig bearbeiteten Referenzprojekts selbst für eine Lagertiefe von 700 m hat zum Scheitern einer korrekten Bewertung von Lagerstandorten mit Tiefen von 900 m beigetragen.
– Was die Interpretation der Seismikdaten sowie Platzbedarf und Platzangebot für HAA in NL angeht, kamen alle späteren Stellungnahmen zum Nagra-Vorschlag (ENSI-Gutachten, ENSI-Experten, EGT, KNS, ESchT) zum selben Schluss wie der Fachbericht der AG SiKa/KES vom Januar 2016 zum «2×2-Vorschlag» der Nagra.
– Bei der Analyse der Zusatzdokumentation der Nagra und der verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen fällt auf, dass die Ausbildung und Auswirkung der Auflockerungszone als ursprüngliche Argumentation gegen grössere Tiefenlagen (v. a. in NL) faktisch fallengelassen wurden. Das ENSI und seine Experten begründen die Empfehlung auf Verbleib von NL mit der Wahl anderer Gebirgsmodelle als die Nagra und dem Datenmangel.
– Aus übergeordneter Sicht wurde festgestellt, dass die im Januar 2016 angebrachte Kritik der AG SiKa/KES von den anderen Akteuren vor allem im Bereich Bautechnik/ Geomechanik zumindest in den vorliegenden Dokumenten nicht aufgenommen worden ist.
Verschiedene Überlegungen führen dazu, NL in Etappe 3 weiterzuverfolgen. Einerseits sind die Gründe für die Zurückstellung nicht stichhaltig: Sie fussen auf unzutreffenden Modellvorstellungen (Geomechanik) und unsicherer Datenlage (2D-Seismik). Gleichzeitig haben anderseits ZNO und JO grössere Schwächen als von der Nagra angenommen – der Erosion sind sie weit stärker ausgesetzt als NL. Da alle drei Standorte aus heutiger Sicht sicherheitstechnisch die Minimalanforderungen erfüllen, gleichzeitig aber unterschiedliche Schwächen und Stärken aufweisen, sind in Etappe 3 zwingend alle drei weiter zu untersuchen.
Denn nur so kann gewährleistet werden, schliesslich den vergleichsweise sichersten Standort zur Auswahl zu haben. Dabei sollten gezielt die heute erkannten Ungewissheiten und möglichen sicherheitstechnischen Schwächen der einzelnen Standortgebiete angegangen werden. Ein solches Vorgehen ist fokussiert und effizient. Zu diesen Schlussfolgerungen ist die AG SiKa/KES in ihrem (ersten) Fachbericht vom Januar 2016 zum «2×2-Vorschlag» der Nagra gekommen (AG SiKa/KES 2016). Daran haben weder die Nachforderung des ENSI (ENSI 2015a) noch die Zusatzdokumentation der Nagra (Nagra 2016b), das ENSIGutachten (ENSI 2017a), die Stellungnahmen der EGT (EGT 2017), der Kommission für Nukleare Sicherheit (KNS 2017) oder der deutschen Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager (ESchT 2017) grundlegend etwas geändert. »
- Kommentare :
Drei Kommentare drängen sich auf:
- Ausdehnung der Untersuchungen in Etappe 3 auf Lägern Nord : Die erste Kritik an der Einschränkung der Nagra auf nur zwei weiter zu untersuchende Standorte, nämlich Jura Ost (Bözberg) und Zürich Nord-Ost (Weinland) von den Kantonen und wurde namentlich von Zürichs Regierungsrat Markus Kägi öffentlich ausgesprochen. Die Aufstockung auf drei Standortregionen in Etappe 3 durch den Wiedereinbezug von Lägern Nord wird hier durch die AG Sika / KES wissenschaftlich begründet. Nachdem diese Forderung durch alle Fachkommissionen und das ENSI bereits übernommen worden war, ist der Kreis nun mit dem Fachbericht der AG Sika/KES offiziell geschlossen. Der langjährig vorbereitete Versuch der Nagra auf eine sofortige Reduktion auf nur zwei weiter zu untersuchende Standorte (unser Blog vom 17. September 2017) ist damit endgültig begraben. Nicht begraben sind hingegen die Ränkespiele in der Prozessführung wie auch die Bedeutung solcher politischer Manöver auf die Vertrauensbildung in den Standortregionen.
- Maximale Lagertiefe 700 oder 900 m : Objektiv wissen wir nicht, bis in welche Tiefe welche Bauweise noch geeignet ist, um standfeste Anlagen zu errichten. Das Felslabor am Mt Terri (Kanton Jura), gibt wohl Hinweise, aber nicht mehr ; denn erstens liegt es in geringerer Tiefe und zweitens ist dort der Opalinuston tektonisch steil gestellt, also nicht etwa horizontal wie in der Nordostschweiz. Hier liegt nach unserem Erachten ein klarer Mangel an konzeptuellen Grundlagearbeiten sowie an praxisbezogenen Forschungsarbeiten vor. Und dieser Mangel wird beim Vorgehen nach Sachplan erst korrigiert werden, wenn dereinst (und falls), in x-Mal 10 Jahren ein Felslabor (sogenannter «Testbereich») eines Lagers gebaut wird. Es ist denkbar, dass sich dann der Opalinuston als zu wenig tragfähig erweisen könnte.
Die Blogautoren haben schon verschiedentlich auf die Notwendigkeit vorausschauender Projektplanung hingewiesen. Auch auf die Notwendigkeit, Forschung, Entwicklung und Demonstration jetzt durchzuführen und nicht, wenn es bereits zu spät ist. Schon heute rächt sich die Blindheit der Projektanten und der Behörden bezüglich dieser Empfehlung.
- Die AG Sika/KES weist auf die Wichtigkeit hin, «gezielt die heute erkannten Ungewissheiten und möglichen sicherheitstechnischen Schwächen der einzelnen Standortgebiete an(zugehen)», auch dies eine alte Forderung. Es soll nicht das erforscht und untersucht werden, was wir schon wissen, oder was wir gut verstehen, sondern das, was schlecht bekannt ist und/oder was zur Akzeptanz des Projektes kritisch sein kann. Gerade dieser Forderung kommen etwa die Sondiergesuche der Nagra für Etappe 3 nicht nach : Wozu sollen beispielsweise all diese Bohrungen dienen, wenn nicht eine einzige davon den gesamten Inhalt des Permokarbon-Trogs mit seinen möglicherweise darin vorhandenen Ressourcen durchfahren soll ? Weshalb wurde bis heute keine Schwachstellenanalyse der Standorte verlangt und ausgeführt, welche die diversen Problempunkte in den Standortgebieten klar ausweist (Verdickungen des Opalinustons und Verdacht auf Abscherungen, Aktivität der Trograndstörungen, Geometrie und Inhalt der Tröge, Geometrie und Erosionsgeschehen usw. usf.)?
- AG Sika / KES :
« Zu einem Referenzprojekt liegen lediglich vage Überlegungen zu Themen wie Lagerarchitektur, Statik und konstruktive Ausbildung der diversen Anlageelemente, einschliesslich Verschlussbauwerke, vor. Bezüglich HAA wird empfohlen, Lagerauslegungen und bautechnische Referenzprojekte mit einer angemessenen Bearbeitungstiefe und nach dem Stand von Wissenschaft und Technik sowohl für Lagertiefen von 700 m als auch für solche von 900 m auszuarbeiten. Ebenso ist ein Referenzprojekt für SMA vorzulegen.»
- Kommentar:
Gleich wie in der Frage der ausstehenden Forschung zu wichtigen Themen gilt auch hier: Wie soll ein Standort für ein Lager festgelegt werden, für das kein klares Referenzprojekt vorliegt? Denn ein Referenzprojekt ist nicht eine allgemeine Lagerskizze, wie sie die Nagra üblicherweise in ihren Machbarkeitsstudien vorlegt. Ein Referenzprojekt muss den Gegebenheiten eines Standorts angepasst sein, sowohl bzgl. Oberflächenanlage, als auch Zugang und Untertageanlagen. Seit Beginn des Sachplanverfahrens verlangen die Blog-Autoren umfassende Abklärungen der Lagerkonzepte, was sich auch in den entsprechenden Stellungnahmen der Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) niederschlug.
- AG Sika / KES :
Aus der Erfahrung in den Etappen 1 und 2 des Sachplans geologische Tiefenlager stellt die AG SiKa/KES fest:
- Der Sachplan geologische Tiefenlager ist ein taugliches Mittel für die Auswahl eines geeigneten Standorts in der Schweiz.
- Die geologischen Grundlagenarbeiten führten zum einhelligen Schluss in der Fachwelt, dass Opalinuston ein geeignetes Wirtgestein für ein hiesiges geologisches Tiefenlager ist.
- Die Vorgaben der ENSI-Richtlinie G03 (ENSI 2009) in Bezug auf den Betrachtungszeitraum von einer Million Jahre (bei HAA) sind einzuhalten. Ebenso muss eine Lagerfreilegung gemäss den Vorgaben ausgeschlossen sein.
- 4. Die Nachforderung des ENSI und die dadurch erfolgte Programmverzögerung von einem Jahr waren insofern nicht notwendig, als die ungenügende felsmechanische Datenlage bereits bekannt war. Die spärliche geomechanische Datenlage ist seit dem HAA Entsorgungsnachweis (Nagra 2002) praktisch unverändert geblieben, seither wurden lediglich neue, als jeweils repräsentativ eingestufte Baugrundmodelle und Materialparametersätze vorgestellt, die sich jedoch in mancher Hinsicht widersprechen.
- ENSI, EGT, KNS und ESchT kommen bezüglich Einengungsergebnis zum gleichen Schluss, wie dies die AG SiKa/KES bereits im Januar 2016 dargelegt hat.»
- Kommentar:
Der Vergleich der obigen Punkte 1. und 4. ist verblüffend: Seit dem Jahr 2002 (das wären heute 15 Jahre), ganz zu Beginn des Programms Opalinuston, ist die durch die Nagra verwendete Informationsbasis in wichtigen Bereichen des Programms sowohl dieselbe, als auch ungenügend! Doch: “ Der Sachplan geologische Tiefenlager ist ein taugliches Mittel für die Auswahl eines geeigneten Standorts in der Schweiz.“ Warum wird dieser folgenreiche Widerspruch nicht thematisiert?
Die einfachste Antwort auf die Frage liegt im Widerspruch zwischen den Anforderungen an das Projekt bezüglich nuklearer Sicherheit und den Anforderungen gemäss Sachplan im Rahmen der Raumplanung. Heute folgen Nagra, Bundesbehörden und Kantone voll dem Sachplan. Dabei vergessen sie leicht das Wichtigste in der Entsorgung der radioaktiven Abfälle: Was schlussendlich zählen wird, ist die nukleare Sicherheit. Ein typisches Beispiel welches aufzeigt, auf welche Weise man ein Projekt in die Wand fahren kann!
Aus dieser Erkenntnis erwächst natürlich auch eine Schlüsselfrage: Weshalb statuieren die Kantone immer wieder „Der Sachplan geologische Tiefenlager ist ein taugliches Mittel für die Auswahl eines geeigneten Standorts in der Schweiz“, während dem ihnen bewusst ist, dass der eingeschlagene Weg jedes Jahr länger, die Frist bis zur effektiven Entsorgung immer weiter in die Zukunft entflieht und die heutigen Programm.Strukturen (in diesem Fall Verfahrensführung und Aufsicht) schwere Mängel aufweisen?
Dieser Frage werden wir demnächst vertieft nachgehen!
Referenzen
AdK (2010): Sachplan geologisches Tiefenlager, Stellungnahme zu Etappe 1. Ausschuss der Kantone, Zürich. www.radioaktiveabfaelle.zh.ch > Ausschuss der Kantone.
AG SiKa/KES (2016): Sachplan Geologische Tiefenlager (SGT) Etappe 2, Fachbericht vom 11. Januar 2016 zum 2×2-Vorschlag der Nagra. AdK, Zürich. www.radioaktiveabfaelle.zh.ch > Ausschuss der Kantone.
BFE (2008/2011): Sachplan geologische Tiefenlager. Konzeptteil. Bundesamt für Energie BFE, Bern.
EGT (2017): Sachplan Geologische Tiefenlager, Etappe 2 – Stellungnahme der EGT zum Vor-schlag weiter zu untersuchender geologischer Standortgebiete, Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung EGT, Brugg 2017.
ENSI (2009): ENSI-G03 (April 2009). Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI, Brugg.
ENSI (2013): Präzisierungen zur sicherheitstechnischen Methodik für die Auswahl von mindestens zwei Standortgebieten je für HAA und SMA in Etappe 2 SGT. Sachplan geologische Tiefenlager Etappe 2. ENSI 33/154 (Januar 2013). ENSI, Brugg.
ENSI (2015). Nachforderung zum Indikator «Tiefenlage im Hinblick auf bautechnische Machbarkeit» in Etappe 2 SGT. ENSI 33/476.
ENSI (2017a): Kurzprotokoll zum Fachaustausch AG SiKa/KES und ENSI (Etappe 2 SGT) [vom 7. März 2016]. 9. Januar 2017.
ENSI (2017b): Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag der in Etappe 3 SGT weiter zu untersuchenden geologischen Standortgebiete. Sachplan geologische Tiefenlager Etappe 2, Brugg 2017. ENSI 33/540.
ESchT (2017): Stellungnahme der ESchT zum 2×2-Vorschlag der Nagra. Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager (ESchT). GRS, Köln.
KNS, Kommission für nukleare Sicherheit (2017): Stellungnahme zum sicherheitstechnischen Gutachten des ENSI zum Vorschlag der in Etappe 3 weiter zu untersuchenden geologischen Standortgebiete. KNS-02820. KNS, Brugg.
Nagra (2002): Project Opalinus Clay: Safety Report: Demonstration of disposal feasibility for spent fuel, vitrified high-level waste and long-lived intermediate-level waste (Entsorgungs-nachweis). Nagra Technischer Bericht NTB 02-05. Nagra, Wettingen.
Nagra (2016b). ENSI-Nachforderung zum Indikator «Tiefenlage im Hinblick auf bautechnische Machbarkeit» in SGT Etappe 2 – Projektkonzepte für die Lagerkammern und Versiegelungsstrecken und deren Bewertung. Juli 2016. NAB 16-45.
Fachbericht zu Etappe 2 (mit 5 Beilagen), Arbeitsgruppe Sicherheit Kantone/Kantonale Expertengruppe Sicherheit (AG SiKa/KES) mit Beilagen 1, 2, 2a, 3, 4. Expertenbeiträge (Beilagen des Fachberichts):
Green, A. G. (2017): Seismikprofile, Neotektonik und Erdbebengefährdung: Beurteilung der Empfehlungen der Nagra in Bezug auf Standortgebiete für hochradioaktive Abfälle in Etappe 2. Aktualisierung 2017. 53 S., 98 Abbildungen. (Englisch mit deutscher Zusammenfassung)
Kovári, K. (2016): Die bautechnische Machbarkeit der Lagerstollen. Einfluss der Tiefenlage auf die Langzeitsicherheit. Beurteilung der Untersuchungen der Nagra. 52 S.
2a. Kovári, K. (2017): Geomechanische Grundlagen, Projektierung und Bautechnik. 49 S.
Müller, E., Schmid, S. (2017): Zu erwartende Erosionsprozesse in den drei möglichen Standortgebieten für hochradioaktive Abfälle (Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost). Aktualisierung 2017. 37 S.
Baltes, B. (2017): Dosisberechnungen. Aktualisierung 2017. 58 S.
Kommentar verfassen