Entsorgung der radioaktiven Abfälle in der Schweiz: Ein Schritt vorwärts, hin und zurück . .
Titelbild: Bergrutsch im Gips von Val Canaria. Hier war (vor dem Rutsch!) in den frühen 1970-er Jahren der Zugang zum Lagerstollen für schwach radioaktive Abfälle geplant.
Walter Wildi & Marcos Buser
(Präsident und Mitglied der EKRA[1] 1999 – 2002)
Vor 49 1/2 Jahren, am 24. Dezember 1969, ging Beznau 1 als erstes kommerzielles Kernkraftwerk der Schweiz ans Netz. Ein halbes Jahr später nahm einer der Blog-Autoren erste Aufnahmen von Sondierbohrungen und Bergwerkstollen auf der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle im Gips und Anhydrit im aargauischen Tafeljura in Angriff. Die Stollen erwiesen sich als instabil und das Projekt scheiterte. Ebenso ein ähnliches Projekt im Val Canaria, im Tessin, wo heute ein Bergrutsch die Stelle bedeckt, an welcher ein Stollen in den Untergrund des Val Piora geplant war. Nicht besser erging es dem «Projekt Gewähr 1985», welches hoch radioaktive Abfälle im kristallinen Untergrund der Nordschweiz und schwach radioaktive Abfälle in alpinen Mergeln endlagern wollte. Und das Scheitern dieser Projekte war gleich doppelter Art:
- Wissenschaftlich: Die Geologie der Schweiz erwies sich für das geplante Vorhaben als schwieriger, als von den Projektanden ursprünglich angenommen.
- Gesellschaftlich: Nach all den erfolglosen Versuchen wuchs der gesellschaftliche Zweifel an einer sicheren geologischen Endlagerung.
Für beide Faktoren ist das Projekt Wellenberg ein Musterbeispiel: Ursprünglich durch alle offiziellen Instanzen als sicherer Standort betrachtet, geriet die Sicherheit je länger desto mehr ins Wanken (unser Blog vom 19. Juni 2015). Selbst für die Möglichkeit, dass es sich um den Standort möglicher Epizentren lokaler Erdbeben handelt, liegen heute wissenschaftliche Daten vor. Folgerung: Die Bevölkerung hat das Projekt im Jahr 2002 zu Recht und gegen die Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft zurückgewiesen.
Die gegen Ende des letzten Jahrhunderts aufkommende gesellschaftliche Forderungen, radioaktive Abfälle müssten so lange und so weit wie möglich überwachbar sein, und Abfälle sollten bei Bedarf wieder aus einem Lager zurückgeholt werden können, hat sich unterdessen als Folge zahlreicher Störfälle in Untertagedeponien (siehe Artikel unten) als berechtigt und unumgänglich erwiesen. Ohne Überwachung und Rückholbarkeit kann man sich künftig kein Entsorgungsprojekt mehr vorstellen. Die Schweiz hat hierzu mit dem sogenannten «EKRA-Konzept» und dessen Übernahme ins Kernenergiegesetz von 2003 eine gute Ausgangsbasis geschaffen. Es bleibt allerdings die schwerwiegende Frage der Übernahme und vollen Umsetzung durch die Entsorgungsorganisation und die Aufsichtsbehörde. Und, wie die folgende Analyse eines Gutachtens von Basler & Hofmann zeigt, sind die Kräfte welche das Rad der Zeit und der Erkenntnisse in beiden Organismen wieder zur «guten alten» Endlagerung zurückdrehen möchten noch immer stark und noch immer am Werk. Und dies selbst über evidente wissenschaftliche Argumente hinweg, wie etwa Ressourcenkonflikte und andere Risiken. Dagegen wehren wir uns hier und künftig mit Vehemenz!
[1] EKRA, Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle
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